Volltext: Globus, 72.1897

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Globus LXXII. Nr. 10. 
G LO B U S. 
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE. 
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „DAS AUSLAND“. 
HERAUSGEBER: Dr. RICHARD ANDREE. VERLAG von FRIEDR. VIEWEG & SOHN. 
Bd. LXXII. Nr. 10. BRAUNSCHWEIG. 11. September 1897. 
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet. 
Ein Ritt quer durcli Korea. 
Von Leutnant v. Grün au 1 ). 
Peking, 22. Juni 1897. 
Die Reise war anstrengend, doch landschaftlich von 
einer Schönheit, die die Japans bei weitem in den Schatten 
stellt. Hochgebirgslandschaft mit ihrer köstlichen Blumen 
pracht, Schnee auf den Pässen, Schwierigkeiten beim 
Überschreiten der Flüsse, schlechtes Unterkommen, 
mangelhafte Verpflegung, riesige Gastfreundschaft der 
Bevölkerung, dies sind die charakteristischen Merkmale 
meiner Reise. Aber nun zu einigen Einzelheiten. 
Ich reiste von Nagasaki auf einem kleinen schmutzi 
gen japanischen Dampfer nach Fusan, einem reizend 
gelegenen Hafenort und schlofs zum erstenmale Freund 
schaft mit den Koreanern, die man als ein harmloses, 
liebenswürdiges und sympathisches Volk begrüfsen mufs. 
Längs der Küste fuhren wir nun für zwei Tage unter 
herrlichem Wetter und prächtiger Aussicht nordwärts 
bis Wönsan, Port Lazareff. Hier stieg ich aus, wurde 
von dem einzigen Europäer und Zollkommissar sehr 
freundlich und als eine Rarität empfangen und ging 
sofort daran, mir Pferde zu mieten, und einen chinesisch 
sprechenden Koreaner als Dolmetscher zu finden. Alles 
gelang nach einigen Schwierigkeiten und dem nötigen 
Tribute an Geduld. Am folgenden Morgen wollte ich 
abreiten, doch im Orient will man ja manches, was dann 
nicht in Erfüllung geht. Also, ich lasse mich um 5 Uhr 
wecken, doch die Pferde sind noch nicht da, obgleich 
mir versprochen worden war, dafs sie um 4 Uhr kommen 
sollten. Dafür erschienen sie pünktlich um y 2 12 mit 
tags. Um endlich aus der Stadt heraus zu kommen, 
liefs ich packen und brach sogleich auf. Das Städtchen 
Wönsan oder auch Gensan ist entzückend an einer 
grofsen, von Hügeln halbkreisförmig eingeschlossenen 
Bucht gelegen. Zwischen all den Strohhütten der Ko 
reaner erheben sich zwei ganz europäische Gebäude, 
Modell Insterburg, und einige japanische Holzhütten. 
Alles sehr malerisch. Die Strafsen sind leidlich schmutzig, 
doch nicht so widerlich, wie die der chinesischen Ort 
schaften. Ich ritt längs der Küste südlich, kam dabei 
einmal an einen Sumpf, mufste einen grofsen Umweg 
machen und gewann dabei die beruhigende Überzeugung, 
b Der Herr Verfasser, kommandiert zur deutschen Gesandt 
schaft in Peking, hat den hier abgedruckten Brief an einen 
Bremer Herrn gesandt, welcher denselben uns gütigst zur 
Verfügung stellt. Herr Baron Grünau beabsichtigt von Peking 
durch die Mongolei nach Sibirien zu reiten, die östlichen 
Ufer des Baikalsees zu besuchen und dann bis Krasnojarsk, 
dem Endpunkt der sibirischen Eisenbahn, zu reisen, um von 
da aus sich der deutschen Heimat zuzuwenden. 
dafs von meinen drei Landeskindern nicht einer auch 
nur einen Schimmer von Weg oder Richtung hatte. Ich 
war also ganz auf meine Karten, die sich als sehr 
schlecht und ungenau herausstellten, meine Instrumente 
und mein Orientierungsvermögen angewiesen. Nachdem 
ich mehrere Stunden im Kreise herumgeführt war, rifs 
mir die Geduld und ich bestimmte nun, ohne meine Be 
gleiter zu befragen, Wege und Richtung. Gegen 1 / 2 3 Uhr 
kam ich an den Anpyöngflufs, der hoch geschwollen 
war. Ich ritt hinein, doch das Wasser ging meinem 
Pony gleich bis über den Bauch und mir bis an die 
Kniee. Was machen! Ein heftiger Wind kam dazu, 
um unsere Lage wesentlich zu verschlechtern. Ich 
suchte am Ufer nach einem Boote und fand nach einer 
Stunde einen Sampan, halb voll Wasser. Ich bemächtigte 
mich seiner sofort und zog ihn mit zwei Leuten zu dem 
Platze, wo die Pferde hielten. Nun wurde das Gepäck 
abgeladen, kleine Bäume und dicke Äste umgehauen 
und quer über das Boot gelegt, damit das Gepäck nicht 
ins Wasser des Bootes fiel; und nun steuerte ich mit 
zwei Leuten und dem halben Gepäck, gefolgt von drei 
Ponys, bei starkem Winde und grofser Strömung (von 
Rudern oder Haken mit so einem Sampan selbst keine 
Ahnung) über den geschwollenen Flufs. Zweimal mufste 
ich fahren, bis alles herüber war, dann packten wir die 
nassen Tiere wieder auf und fort ging es. Viele Stunden 
waren verloren, es dämmerte bereits. Weit und breit 
kein Haus, wir folgten einem Thale, menschenleere Ge 
gend, unfruchtbarer steiniger Boden. Schon ist es so 
dunkel, dafs man kaum noch 200 m weit sehen kann, 
da taucht ein kleines Bauernhaus vor uns auf und ich 
frage durch meinen chinesisch sprechenden Koreaner, ob 
wir hier übernachten können. Brr! der Gestank, als ich 
ins Zimmer trat, und die Hitze! Die Leute sind sehr 
freundlich, kochen sofort Reis, an dem beim Verzehren ich 
mich auch beteilige, und dann legen wir uns, meine 
Mafus, mein Bursche, der Koreaner und drei Bauern 
auf den geheizten Fufsboden zum Schlafen hin. In jedem 
koreanischen Hause ist der Fufsboden gewärmt und 
zwar Winter wie Sommer, da die irdenen oder eisernen 
Kessel für Reis und das stets warm gegebene Vieh- und 
Pferdefutter eingemauert sind und sich über den Rauch 
abzügen die Wohnstube befindet. Die Hütten sind klein, 
aus Lehm gebaut, Strohdächer, und in der Wohnstube 
befinden sich einfache Strohmatten. Der Koreaner zieht, 
ähnlich dem Japaner, beim Betreten dieses Raumes die 
Stiefel aus. Die Nacht war schrecklich mit all den 
Menschen in so kleinem Raum, „man hört nur leises
	        
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