GLOBUS.
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER- und VÖLKERKUNDE.
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „DAS AUSLAND“.
HERAUSGEBER: Dr. RICHARD ANDREE. ><^§4 VERLAG von FRIEDR. VIEWEG & SOHN.
Bd. LXXII. Nr, 7. BRAUNSCHWEIG. 21. August 1897.
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet.
Die Kongoaiisstellung in Briissel-Tervueren 1897.
Von L. Henning. Antwerpen.
Von der Redaktion der vorliegenden Zeitschrift mit
dem ehrenvollen Aufträge betraut, über die diesjährige
Kongoausstellung zu berichten, komme ich hiermit diesem
Ansuchen um so lieber nach, als diese in der That uns
zum erstenmale ein erschöpfendes Bild von der gesamten
Kulturentwickelung jenes mächtigen afrikanischen Staates
bietet. Ich mufs es mir indessen versagen, eine bis in
die kleinsten Details gehende Beschreibung zu liefern,
einesteils weil zum grofsen Teil über Dinge zu berichten
wäre, die ich bereits als bekannt voraussetzen darf,
anderseits auch deshalb, weil dadurch meine Arbeit eher
einem „Katalog 1 ' gleichen würde, als einem auf wissen
schaftlicher Grundlage ruhenden Gesamtbilde des Dar
gebotenen. Ich kann mich daher nur allgemein äufsern,
wobei ich allerdings dem weniger Bekannten einen
breiteren Spielraum lasse.
1. Allgemeines.
Schon im Jahre 1894, gelegentlich der Weltausstellung
in Antwerpen, auf welcher auch eine Kongoabteilung
vertreten und gleichzeitig eine gröfsere Anzahl Ein
geborener zum erstenmale vom Kongo nach Europa
kam, war die Frage angeregt worden, ob nicht bei der
nächsten Ausstellung in Brüssel eine Specialausstellung
des „Etat Indépendant du Congo" geschaffen werden
solle und zwar direkt vom Staate selbst. Es bildete sich
denn auch bald danach unter dem Patronat des Staats
sekretärs des Kongostaates, Herrn Ed. van Eetvelde,
ein Komitee, welches die Vorarbeiten, völlig unabhängig
von der Brüsseler Ausstellung, in die Hand nahm. Der
2^/2 Stunden von Brüssel entfernte herrliche Park von
Tervueren erschien hierzu als der geeignetste Platz,
obwohl, wie dies auch von verschiedenen Seiten betont
wird, derselbe wegen der wechselnden lemperatur-
verhältnisse (infolge der zahlreichen Weiher in demselben
sind die Nächte empfindlich kühl und die Frühnebel
und die beständige Feuchtigkeit machen das längere
Verweilen in demselben nicht gerade angenehm!) für
den Gesundheitszustand der den Park bevölkernden
Kongoeingeborenen nicht besonders vorteilhaft gewählt
schien. Diese letzteren brachte Dr. Dupont nach sorg
fältigster Auslese an Ort und Stelle am 27. Juni mit dem
Dampfer „Albertville“ hierher und zerfällt das ganze
Kontingent in die militärische Schutztruppe mit einem
aus 18 Mann bestehenden vollständigen Militärorchester
aus Eingeborenen und in Vertreter der verschiedensten
Kongostämme, Männer und Weiber (Bangala, Bazokos,
Globus LXXII. Nr. 7.
Bakongo, Assandeh, Wangata u. s. w.); auch zwei Tiki-
Tiki befinden sich darunter.
Bezüglich des Allgemeineindrucks, den dieses bunte
Völkergemisch auf den unbefangenen Beurteiler ausübt,
kann ich nur gutes berichten; die Leute haben sämtlich
eine immer heitere Miene und scheinen sich in der ihnen
völlig fremden Umgebung sichtlich wohl zu fühlen. Die
Schutztruppe, welche Artillerieleutnant Lemaire aus
gebildet, vollführt ihre Exercitien mit einer geradezu
überraschenden Gewandtheit und Sicherheit und über
treibe ich nicht, wenn ich behaupte, dafs sie besser
exerciert, als das belgische Staatsmilitär selbst. Man
sieht, dafs ein humanes Erziehen denn doch bessere
Erfolge beim Eingeborenen erzielt, als eine rohe, jedem
menschlichen Gefühl hohnsprechende Behandlung, ver
knüpft mit zeitweiligem Aufhängen unliebsam gewordener
Neger! Die beiden Tiki-Tiki scheinen ihre Kleinheit
den grofsen Bangala und Bazokos gegenüber nicht recht
verschmerzen zu können, denn immer giebt es Streit
und Zank zwischen ihnen, so dafs Dr. Dupont, welcher,
nebenbei bemerkt, völlig im Dienste für seine Schutz
befohlenen aufgeht, wiederholt den Friedensstifter
machen mufs.
Ich wende mich nunmehr der Ausstellung im
Besonderen zu, welche Ende Mai d. J. offiziell eröffnet
wurde.
In Anbetracht der zahlreichen Völkerstämme des
Kongogebietes, welche keine ethnographische Einheit
vorstellen, war es schwierig, in dieses Gewirr eine Ord
nung zu bringen und entschied man sich schliefslich zu
einer Gruppierung nach geographischen Provinzen.
Diese Einteilung erleichtert in der That das eingehendere
Studium ungemein und bietet überdies den Vorteil
leichterer Vergleichung 1 ). Auf diese Weise können wir
sechs verschiedene Gruppen unterscheiden:
0 Ich hielt mich bei der nachfolgenden Berichterstattung
im wesentlichen an den offiziellen „Guide“ (Guide de la
section de L’Etat Indépendant du Congo à l’exposi
tion de Bruxelles-Tervueren en 1897. Ouvrage publié
sous la direction de M. le commandant Lieb rechts par
les soins du Lieutenant Th. Masui, Secrétaire général.
Bruxelles 1897). Obwohl dieser „Führer“ zunächst für die
Besucher der Ausstellung bestimmt ist, geht er seinem reichen
Inhalte nach doch weit über seine ursprüngliche Bestimmung
hinaus. Das Werk ist keineswegs ein Katalog, sondern
unbestritten das Beste, was wir jetzt von der Kongolitteratur
13
2. Die ethnographische Ausstellung.