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Volltext: Globus, 18.1870


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Die Fahrt der „ Germania " und der „ Hansa " nach der Ostküste von Grönland , , 
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sche Meile vom Schiffe nach Westen lag . Die Wassertümpel auf dem Eise waren bereits wieder vollständig gefroren und ging daher die Schlittenreise ziemlich rasch und gut von Statten . Wir drangen in den nächsten Tagen in das Innere eines Fjordes ein , der im Sommer eissrei gewesen , jetzt aber bereits mit 3 Zoll dickem glatten Eise bedeckt war . Ein über 4000 Fuß hoher Berg wurde bestiegen und von Oberlieutenant Payer eine um - fassende kartographische Arbeit gemacht . Der Berg gewährte einen weiten Ueberblick sowohl über die umgebenden Gebirge , wie auch nach Nordosten über die See . In letzterer Richtung , über die Nordspitze von Shannon hinweg , konnte das Auge nur Eis erkennen . Die Felder hatten sich also doch nicht in Bewegung gesetzt und waren wahrscheinlich niemals vom Land - eise losgebrochen . Es stand jetzt unumstößlich fest , was wir Alle schon vermuthet hatten : Ueberwinteruug vor der Sabine - Insel , als dem einzig praktischen und sichern Winter - Hafen an der ganzenKüste zwischen 77° und 74° nördl . Breite . 
Aus der Rückreise zum Schiffe wurden auf einer Insel von Oberlieutenant Payer Braunkohlenlager entdeckt und zahlreiche Petrefacten gefunden . Auf jener „ Kohleninsel " fand sich eine im Vergleich zur Sabine - Insel reiche Vegetation , hauptsächlich Andromeda , und große Heerden von Moschusochsen und Renn - thieren weideten hier . Wir konnten vom Zelte aus so viel Wild erlegen , wie wir haben wollten , vermochten jedoch leider nicht , viel an Bord zu bringen , da unser Schlitten schon überdies stark belastet war . 
Am 22 . September kamen wir wohlbehalten an Bord zurück . Hier war man in der Zwischenzeit ebenfalls nicht müßig ge - wesen ; es waren verschiedene Vorbereitungen für die Ueber - Winterung getroffen ; das Schiff war etwas weiter in den Hafen gelegt ; man hatte mehrere Moschusochsen , Rennthiere , Bären , 'Walrosse geschossen u . s . w . In der Nacht vom 20 . bis 21 . September hatte ein heftiger Sturm aus Norden gewüthet , der indeß nicht mehr im Stande gewesen war , das junge Eis zu zerbrechen und wegzutreiben ; dasselbe hatte bereits eine Dicke von mehreren Zoll , so daß wir zu Fuß an Bord gehen konnten . " 
Man traf dann die nöthigen Vorkehrungen für die Ueber - Winterung . Das Schiff wurde weiter in den Hasen hinein - gesägt und fror in einer einzigen Nacht so fest ein , daß es un - verrückt lag . Das Deck wurde mit einer vollständigen Ueber - dachung versehen , und am Lande wurden zwei Observatorien gebaut , eins für magnetische , ein anderes für astronomische Be - obachtungen . Mitte Octobers führte man eine Mauer von Schnee und Eis um das Schiff herum auf , dessen Decke mehrere Zoll hoch mit Moos bedeckt worden war . 
„ Wir konnten jetzt mit Ruhe dem Winter entgegensehen . Unsere Einrichtungen waren der Art , daß wir mit verhältniß - mäßig wenig Feuerung eine große Wärme hervorbringen konn - ten , und in der That steigerte sich der ganze Kohlenverbrauch selbst bei der größten Kälte ( —32° R . ) nie über 70 Pfund per Tag ; die Oefen von Meidinger in Karlsruhe haben sich ganz vortrefflich bewährt . Im Laufe des Herbstes war über 1500 Pfund srisches Fleisch erlegt , so daß wir während des ganzen Winters beinahe täglich frischen Rennthier - oder Ochsenbraten auf dem Tische hatten . 
Ende Octobers wurde von Oberlieutenant Payer in Be - gleitung von Dr . Eopeland noch eine Schlittenreise nach Süden unternommen , welche die Entdeckung eines neuen Fjordes , weitere Landesaufnahmen und geologifche Sammlungen ein - brachte . Am 4 . November kehrte auch diese Partie wohlbehal - ten zurück , wenngleich von den Ungeheuern Anstrengungen fehr ermattet . Hiermit waren alle größeren Excursionen für diese Jahreszeit und sür 1869 geschlossen . 
Am S . November zeigte sich die Sonne Mittags noch ein - mal am Horizont und verschwand dann vollständig , um erst Ansangs Februar wieder zu erscheinen . Auch die Bären , bis jetzt unsere getreuen Nachbarn , wurden nicht mehr gesehen ; Rennthiere und Moschusochsen hatten sich mehr nach den besseren Weiden im Innern der Fjorde zurückgezogen . Starr , öde und 
ohne Leben lag die Natur um uns her ; eine drei Monate lange Polarnacht stand uns bevor . Die allgemeine Stim - mung war indeß eine durchaus heitere , und es war Keiner an Bord , der große Unannehmlichkeiten oder gar Krankheiten be - fürchtete , da wir in der That alle erforderlichen Mittel besaßen , um jeder Strenge des Winters erfolgreichen Widerstand zu leisten . An Beschäftigung und Unterhaltung fehlte es uns eben - falls nicht ; es gab fortwährend zu beobachten , zu rechnen , zu schreiben , zu zeichnen , und selbst der regelmäßige Schiffsdienst , jetzt vielmehr Hausdienst , nahm täglich mehrere Stunden in Anspruch . Wir hatten durch die Freundlichkeit einiger Buch - Handlungen eine schöne und ausgesuchte Bibliothek an Bord be - kommen , die wir jetzt fleißig benutzten . Außerdem war eine Navigationsschule errichtet , die von dem größten Theil der Leute mit Erfolg besucht wurde . Die Zeit ging aus die Weise rasch hin , so daß Weihnachten , die Mitte der Polarnacht , herankam , ehe wir fühlbar den fortwährenden Mangel des Tages - lichtes merkten . Das einzige Unangenehme waren die häufigen orkanartigen Schneestürme aus Norden , die oft während meh - rerer Tage jede Bewegung im Freien , selbst an Deck unter der Bedachung , vollständig verhinderten . Der Schnee drang in Form eines feinen Staubes durch alle Ritzen und Fugen der Verschan - zung und des Zelttuches , so daß das Deck an manchen Stellen mehrere Fuß hoch mit Schnee angefüllt wurde . In den ten gab es dann manchmal störenden Rauch . Der schwerste und am längsten anhaltende Sturm wehte vom 16 . bis 20 . Decem - ber mit ununterbrochener Heftigkeit , oft in orkanartigen Stößen , die das Schiff , obgleich es fest in Eis gebettet war , vom Kiel bis zum Top erzittern machten . 
Dieser Nordsturm brach das Eis , welches bereits eine Dicke von einigen Fuß erreicht hatte , 300 Schritt südlich vom Schiffe , wie auch im Osten der Insel , wieder vollständig auf , fo daß ein schmaler Streifen offenen Mosers längs der Küste im Süden sichtbar war . Wir dankten Gott , daß die Kleinheit unseres Schiffes uns gestattet hatte , so weit in den Hafen hineinzuholen ; ein größeres Schiff , welches in 16 bis 18 Fuß Wasser hätte liegen müssen , wäre hier unfehlbar mit losgerissen und inFolge dessen unrettbar verloren gewesen , da es sehr bald von dem durch den Orkan in furchtbaren Aufruhr versetz - ten Eise zersplittert worden wäre . Nach diesem Sturm trat eine mehrtägige Ruhe im Wetter ein ; es kamen leichte und warme Südwinde , und die Temperatur , die bisweilen schon eine Tiefe von —22° bis 23° R . erreicht hatte , stieg in den Weih - nachtstagen wieder bis — 3° R . , eine Temperatur , die in den Kajüten wegen der dann viel zu warmen Einrichtungen bei wei - tem unangenehmer , als die strengste Kälte , empfunden wurde . Wir feierten den Weihnachtsabend bei offenen Thü - ren und wurde beim Sternenlicht auf dem Eise ge - tanzt . Ein kleiner Christbaum war aus immergrüner Andromeda gemacht , dieKajüte mitFlaggen verziert ; auf dem Tische prangten zur allgemeinen Freude die Geschenke , die von freundlicher Hand der Expedition für diesen Zweck mit - gegeben waren . Jeder erhielt seinen Theil , und allgemeiner Froh - sinn herrschte im ganzen Schiffe . 
Nach dem Feste trat der Ernst des Lebens und der verschie - denen Ausgaben , die wir zu lösen hatten , wieder mehr und mehr in seine Rechte . Es wurde jetzt viel über die großen , im Früh - jähr zu unternehmenden Schlittenreisen gehandelt und wurden die Leute eifrig mit Vorbereitungen zu denselben beschäftigt . Zelte , Decken , Fuß - und Kopfbekleidungen wurden theils ganz neu gemacht , theils so geändert , wie es unsere eigenen Erfah - rungen im Herbst und die Anderer aus früheren Reisen als das Zweckmäßigste erscheinen ließen ; Schlitten wurden in Stand fetzt , Kochapparate angefertigt , Proviant ward verpackt und vor - bereitet u . s . w . 
Am Sylvesterabend sagten wir dem Jahre 1869 , das uns bisher trotz einiger Mißgeschicke günstig gewesen war , in fröh - licher Stimmung Lebewohl , reich an Hoffnungen für das Jahr 1870 . 
Der Januar brachte meistens schönes und ruhiges Wetter ,
	        
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