156 Die Fahrt der „ Germania " und der „ Hansa " nach der Ostküste von Grönland .
Die Fahrt der „ Germania " und der „ Hansa " nach der Ostküste
von Grönland .
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Es fiel uns ein Stein vom Herzen , als wir die frohe Kunde lasen , daß die Bemannung der „ Hansa " glücklich ins Vaterland heimgekehrt fei . Wir waren jedoch besorgt wegen des Schicksals der „ Germania " , von welcher seit dem August des vorigen Iah - res keine Kunde nach Europa' gekommen war . Aber wir wurden freudig überrascht , als wir lasen , daß dieser Dampfer am 11 . September Bremerhaven erreicht hatte .
Unsere Seeleute und Gelehrten der Expedition machen dem deutschen Namen Ehre . Sie haben redlich gcthan , was in ihren Kräften stand , um die ihnen gestellte Aufgabe zu lösen . Sie haben in dem Eislabyrinthe Gesundheit und Leben auf das Spiel gesetzt , sie haben den größten Beschwerden mit mannhaf - tem Muthe Trotz geboten und eine bewundernswürdige Aus - dauer gezeigt . Der Bericht sowohl des Capitäns Hege mann von der „ Hansa " , wie jener des Capitäns Koldewey von der „ Germania " sind mit preiswürdiger Bescheidenheit abgefaßt , klar , übersichtlich und gerade durch ihre Einfachheit ergreifend . Wir wollen es uns nicht verfagen , den wesentlichen Inhalt derselben unseren Lesern mitzutheilen , behalten uns aber vor , auf die wissenschaftlichen Ergebnisse zurückzukommen . Es find jetzt nicht mehr die Engländer und Nordamerikaner allein , welche sich rüh - men können , in den hochnordifchen Gewässern ihre Flagge ent - faltet und der Wissenschast genützt zu haben ; auch wir Deutschen haben nun einen Antheil an diesem Ruhme , und uns den An - deren an Mnth , Seetüchtigkeit und Ausdauer vollkommen eben - bürtig gezeigt . Darum Ehre unseren Seeleuten und unseren Gelehrten !
Es war längst keine Rede mehr davon , „ die deutsche Flagge auf dem Nordpole wehen zu lassen " ; auch den Plan zu einer Fahrt nach Osten hatte man verftändigerweise fallen lassen und eine Erforschung der Küste von Ostgrönland ins Auge gefaßt . Hier winkte für die Wissenschaft manche Ausbeute ; es kam aus an , dieses Gestade von dem Punkte , welchen Sabine und Elavering erreicht hatten , weiter nach Norden hin zu erforschen . Die Aufgabe war schwierig , weil es sich darum handelte , die Eisschranke vor jener Küste zu durchbrechen , und sie war in hohem Grade gefährlich , weil nicht mit Bestimmtheit vorauszu - setzen war , daß , im Falle es gelang , bis an die Küste dringen , auch die Möglichkeit gegeben war , die Schranke von Westen nach Osten hin wieder zu durchbrechen und in sreies Wasser für die Heimfahrt zu gelangen . Wie viel Eapitän Kol - dewey erreicht hat und wie weit er gekommen ist , ergiebt sich aus seinem Berichte . Uns aber möge es erlaubt fein , hier anzu - führen , daß wir im Beisein von Mitgliedern des Dresdner Ver - eins für Erdkunde , im März 1869 , dem vortrefflichen Seemann mündlich unfere Ansichten über die Befchaffenheit der grönlän - difchen Küste im Norden des 75° N . und unfere Mnthmaßun - gen über die Beschaffenheit des Eises weiter nach Norden hin aussprachen und daß dieselben durch die Fahrt der „ Germania " ihre Bestätigung gefunden haben .
Wir sprachen unsere Ueberzeugung aus , daß an der grön - ländischen Ostküste ebensowenig wie , nach unserer Ueberzeu - gung , anderwärts im arktischen Eislabyrinth ein offenes Polar - meer zu finden fein werde . Wir erwähnten , daß 1817 Sco - resby , der ein Seefahrer ersten Ranges war , der englischen Admiralität berichtete , es sei im ostgrönländifchen Meere zwischen 74° und 80» R . eine Strecke von achtzehntausend englischen Geviert - meilen vorhanden gewesen , die während der zwei vorher verflossenen Jahre ganz eisfrei geworden wäre . Auf diesen Bericht gestützt , nahmen dann Viele an , man werde nicht nur eine Durchfahrt , fondern auch eine freie Fahrbahn über den Pol hinweg finden ,
wenn man an der , wie man wähnte , nun eisfreien Küste von Ostgrönland und vom westlichen Spitzbergen nach Norden segele . Aber bis heute ist Niemand in ein „ offenes " Polarmeer vor - gedrungen . —
Zur Erläuterung einiger Ausdrücke in den Berichten un - serer Seefahrer wollen wir das Nachstehende mittheilen . Ein Eisberg ist bekanntlich ein vereinzelt vorkommender Eiskoloß , der im Meere schwimmt ; ein Eisfeld eine in der Regel sehr dicke große Eisfläche , welche sich vom Mastkorbe des Schiffes nicht übersehen läßt ; wenn man es ganz übersehen kann , wird es Eisflarde genannt . Bai - oder Jungferneis ist folches , das sich erst ganz vor Kurzem gebildet hat ; Packeis eine Masse von Klumpen , die man nicht übersehen kann ; sieht man das Ende , so ist es ein „ Patch " , Fleck . Loses Eis sind Massen , die neben einander schwimmen , durch welche sich jedoch das Schiff einen Weg bahnen kann ; Segeleis ist so zerstückelt , daß es beim Hindurchfahren keine Schwierigkeit bereitet ; morsches Eis schwimmt schon in kleinen Stücken ; ein Eiskuchen ist zufam - mengebackenes Eis , das sich in der ersten Halste des laufenden Jahres bildete ; fchweres Eis geht noch fehr tief und ist völlig compact ; ein Kalb ist ein Eisstück , das sich vom Untertheile eines Berges oder Feldes ablöst ; eine Barriere , Schranke , sperrt das Eis , insgemein querüber ; eine Zunge reicht von einem Berge oder einer Flarde wagerecht heraus , befindet sich jedoch unter dem Wasserspiegel . Ein Gang ist schmal und zieht sich als offenes Waffer zwischen zwei Feldern hin . Eisblink ist ein eigentümlicher Schimmer in der Atmosphäre , den man fast immer sieht , wenn man sich einem mit Schnee bedeckten Lande oder einem Eisfelde naht ; beim W äff erHimmel sieht die Lust wie verdunkelt aus , bildet einen Gegensatz zum Eisblink und deutet auf eisfreie Stellen . Ein Dock macht man , wenn man in eine Flarde ? c . ein Viereck mit Sägen hineinschneidet , und das hineingelegte Schiff gegen den Druck anderer Eismassen sichert . Uns fällt ein Wort des englischen Dichters Coleridge ein , welcher vom arktischen Meere sagt :
„ Das Eis ist hier , das Eis ist dort , das Eis ist
allenthalben ! "
Capitän Hegemann's Bericht über den Unter - gang der „ Hansa " .
Als die „ Hansa " am 20 . Juli 1869 das Hauptschiff der Expedition zum letzten Male gesprochen hatte , steuerte sie in Gemäßheit der Petermann'schen Instruction noch Norden . Der erste Versuch , ins Eis zu dringen , scheiterte . Am 10 . August begann der zweite Versuch auf 74° 46' N . und 10° 28' W . Am 24 . August war man der Küste bis aus ungefähr 24 See - Meilen nahe gekommen . Mit dem Boote drang die Mannschaft noch etwa 8 Seemeilen weiter vor . Obgleich jetzt nur 16 See - meilen östlich von der Besbrow - Jnsel , konnte man doch von einem hohen Eisblock keine Spur eines Küstenwaffers entdecken , in welchem eine Fahrt unter dem Lande auszuführen gewefen wäre . Nun einmal so nahe der Küste , hoffte Capitän Hegemann auf einen Sturm , der das Eis aus einander treiben Möchte ; unverrichteter Sache wollte Niemand den Rückweg an - treten . Ein starker Nordwestwind erhob sich in den folgenden Tagen , aber er brachte das Schiff weit nach Südosten und machte jene Hoffnung zu Schanden .
Das Schiffsjournal sagt : „ Den 19 . September waren Wir vollständig eingefroren ( 73<>6' N . , 19° 18' W ) ; es hatte sich eine dicke Eisdecke um unser Schiff gebildet . In dieser