Theophilus Hahn : Die Buschmänner .
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Hoffen und Harren macht Manchen zum Narren ! Ein Missionsblatt bemerkt : „ Es gehört freilich zu diesem Namen der Glaube , der nicht sieht auf das , was vor Augen ist , son - dern aus das , was in Gottes Herzen verborgen ist / ' Einige Hottentoten wurden bekehrt , aber die Buschmänner waren mißtrauisch und feindselig , und haben mehr als einmal An - griffe auf Kicherer's Leben gemacht . Eine anhaltende DUrre , deren Wirkung man nur versteht , wenn man selbst in Afrika gewesen ist und sie durchgemacht hat , suchte das Gebiet heim , und Kicherer nahm die „ Erstlinge seiner Thräueufaat " und siedelte 1805 nach Graaf Reynet über . So endete die erste Missionsunternehmung bei den Buschmännern . Nach fUnf Iahren probirte die Londoner Missionary Society ihr Kunst - stück und schickte den Missionär Saß in jene Gegend . Er nannte seine Station „ Bethesda " . Der Mann hatte vergeb - lich mit dem Fürsten dieser Welt gekämpft und ihm fast nichts entrissen . Auch er gab seine Station nach wenigen Jahren ans .
Die Engländer sind eine zähe Nation , und durch diese Beharrlichkeit sind sie groß geworden . Aber trotz ihrer Zä - higkeit haben sie noch keinen Buschmann bekehrt . Die eng - tische Regierung beauftragte den Oberst Collins , die Lage der Eingeborenen zu untersuchen . Er fällte ein sehr gün - stiges Urtheil über die Talente und Befähigung der Wilden , und glaubte , jung eingefangen , würde man aus ihnen ein Culturvolk machen können . Das war Wasser auf die Mühle der Mission . Wieder sandte man von London zwei neue Streiter gegen die Bollwerke des Satans unter den Busch - männern . Reverend Smith legte am Seekuhstusse ( — die Boers nennen die Hippopotami „ Seekühe " — ) , in der barschaft eines frommen Boers , einen Missionsplatz an . Die - ser Boer gab den Wilden Anleitung im Ackerbau . Die Buschmänner hielten den Missionär für einen Spion der Boers . Das brach dem glaubenseifrigen Manne schier das Herz , und er wollte schon kleingläubig den Ort verlassen . Aber ein eingeborener Katechet , Jan Goedman , blieb stand - hast und der Missionär schämte sich seiner Verzagtheit . Nun geschah ein Wuuder über das andere ! Die Buschmänner wurden zutraulich , bekannten unter einem Strom von Thrä - nen ihre Sünden und wurden getaust . Der Ort hieß bisher Toverberg ( Zauberberg ) , aber nun wiedergeboren , wurde er in Gracehill ( Gnadenhügel ) umgetauft . „ Die Gnade sing an , sich auf diesem Platze mächtig zu beweisen . " — „ Die Buschmänner , " heißt es in einem Missionsberichte , „ legten sich rüstig auf Ackerbau , sie lernten mit Eifer lesen und Lie - der singen , namentlich Kinder , ja bald regte sich unter ihnen ein starker Trieb , um auch ihrerseits ihren heidnischen Landslenten das Evangelium bringen zu helfen . So ging man denn drei Tagereisen nördlicher zur Schwester - quelle , wo Smith's College , der Reverend Corner , die Sta - tion Hephzibah anlegte . Es dauerte auch dort eine ge - räume Zeit , ehe sich nur ein Buschmann sehen ließ . Dann aber kamen sie immer zahlreicher . Der Häuptling Sliuger , der bis dahin wie seine Leute ein greuliches Leben geführt hatte , wurde zuerst erweckt . Er rief vor allem Volk aus : „ Nun glaube ich , daß ein Gott ist ! Woher hätte ich Hände zum Betasten , Augen zum Sehen , Ohren zum Hören , Füße zum Gehen , wenn nicht Gott wäre . Wir wollen zu ihm beten , daß er noch mehr Lehrer senden möge . So ein Herz hatte ich nie zuvor . Alle Buschmänner sollen kommen , Got - tes großes Wort zu hören . Ich muß ein Haus bauen und alle meine Kinder müssen unterrichtet werden . " Slinger warf sich namentlich eifrig aufs Gebet . Dem Beispiele des Häuptlings folgten viele seiner Leute . Statt des herum - schweifenden Lebens gaben sie sich dem Ackerbau hin , uud auch geistlich angesehen fing die Station an , ihren Namen
„ Meine Lust an ihr " zur Wahrheit zu machen . " — So berichte» die Missionäre . Kritik ist bekanntlich nicht ihre starke Seite , und ein besonderer Charakterzug der hottentoti - schen Race ist die ungeheure quecksilberartige Erregbarkeit . Wenn auch immerhin etwas Wahres an der Sache sein mag , so sind solche Berichte doch mit großer Vorsicht auszunehmen .
Daß etwas an der Sache war , geht schon daraus hervor , daß die benachbarten Bauern Stänkereien ansingen . Sie ruhten nicht eher , bis Lord Somerset , ein feudaler Despot , die Aufhebung der beiden Stationen befahl . Gegenvorstel - luugeu wurden gar nicht gehört . Die Boers machten es wie die Spatzen , welche die Schwalben für sich bauen lassen ; sie trieben die Missionäre fort , zogen in deren Wohnhäuser , ernteten , wo sie nicht gesäet hatten , und schlugen die Busch - männer todt , oder machten sie zu Sklaven .
Man hat hinterher noch ein paar vergebliche Versuche gemacht , andere Locationen zu errichten . Alle die kostbaren Mittel , Zeit , Beharrlichkeit , Anstrengung und Geld sind auch hier vergeblich gewesen ; von Erfolg kann keine Rede sein , will man nicht Proben dieser Art , wie man sie in Missions - stunden hört , als Beispiele von Erfolg anführen :
„ Da sitzt ein alter Buschmann mit seiner kleinen Knochen - pfeife wohlgemuth am Graben uud raucht gemüthlich fort , so lange von gleichgültigen Dingen gesprochen wird . So - bald aber die Rede auf das Wort Gottes kommt und man vom lieben , süßen J^su spricht , dann nimmt er seinen Hut ab , steht aus und legt mit großer Selbstverleugnung seine Pfeife weg , aus Achtung vor dem Herrn , von dem zu ihm geredet wird . " Eine andere sehr erbauliche Geschichte ist folgende : „ Der kleine siebenjährige Kiwit läuft daher , und vergißt fast in seinem Eifer , den lieben Missionär zu grüßen . Auf die Frage , wohin er denn so eilig stürme , antwortet er : Ich will in die Beistünde . Ich habe l1 / 2 Stüber durch Pferdehalten verdient ; die will ich in die Missionsbüchse werfen , davon sollen die anderen Buschmänner bekehrt wer - den . " — Mit diesen Geschichten rührt man die Herzen der deutschen Frauen und Jungfrauen ; sie stricken Mützchen und Strümpse für die armen Heiden , die nicht wissen , was eine Kopfbedeckung ist , und deren Sohlen hart sind wie Schuh - leder . Hier in der Heimath aber sitzt manche Wittwe mit kummerbleichem Antlitz , auf dem Hunger und Armuth ihre Furchen gegraben haben . Sie möchte ihr Kind in die Schule schickeu , daß aus ihm ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft erzogen werde ; aber das Kind ist schwach und elend , es hat kein Brot ; die Füßchen sind zersprungen vor Kälte , es hat keine Strümpfe ; durch seine zerlumpten Um - hängsel kann der kalte Wind blasen , da ist kein mildes Herz , das ihm ein warmes Kleid schenkt . Sonderbar ! — Wir Menschen thun Alles , was wir nicht sollen !
So haben wir denn einen Blick auf die geographische Verbreitung der Raceu Südafrikas geworfen ; wir haben die Völkerbewegungen der Vorzeit zu erklären gesucht ; die Natur , ihre Producte uud Einflüsse , eine Völkerfamilie in ihrem ethnischen Habitus kennen gelernt ; uud wir sehen zuletzt dieses Volk vor der Uebermacht des Europäers sin - ken und untergehen . Es haben die Factoren nicht ge - fehlt , welche eine Culturentwickelung hervorrufen konnten ; die Natur und Völkerbeweguugeu müßten , so meinte man , noth - wendigerweise zu einer Entwickelnng der Geisteskräfte führen , und doch sehen wir nicht einmal die Keime davon . Jetzt steht die Frage an das Schicksal offen : „ Warum sind diese Nationen nicht zur Eutwickelung gelangt ? " Darf man hier jenen Ausspruch unterschreiben :
„ Ungleich vertheilt sind des Lebens Güter - Unter der Menschen slüchtgem Geschlecht .
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