Volltext: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 22.1912

Berichte und Bücheranzeigen . 
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Als dritten Band der 'Beiwerke zum Studium der Anthropophyteia' erschien der erste Band der von P . Tarasevskyj in den Gouvern . Charkov und Kursk aufgezeichneten Schwanke , welche das 'Geschlechtsleben des ukrainischen volkes' kennzeichnen sollen . Er enthält 319 'Schwanke und novellenartige zählungen' ( Leipzig 1909 , Xr , 457 S . ) im kleinrussischen Urtext und in deutscher Übersetzung . Die Sammlung hat der tüchtigste Kenner der kleinrussischen überlieferungen , V . Hnatjuk , zum Drucke vorbereitet , sie mit einigen Worten geleitet und einzelne Erzählungen mit dankenswerten Literaturnachweisen sehen . Die Erzählungen sind in Schwänke , 'novellenartige Erzählungen' , Legenden und Fabeln eingeteilt und dann nach gesellschaftlichen Schichten oder nationalen Gruppen , die sie betreffen , angeordnet . Eine nicht unbedeutende Anzahl dieser Erzählungen können nicht das Geschlechtsleben des ukrainischen Bauernvolkes abspiegeln und als echt volkstümlich gelten , sondern sind entstanden und werden vielfach erzählt in jenen nichtbäuerlichen Kreisen , von denen sie handeln , nämlich der Herren , der Offiziere , auch der Geistlichkeit . Dass sie nicht in den lichen Schichten des Volkes in Umlauf sind , zeigt die stark mit grossrussischen Sätzen , ja ganzen Gesprächen vermischte Sprache . Solche makaronischen zählungen sind doch möglich nur bei einer zweisprachigen Bevölkerung . Die von Bauern handelnden Schwänke und Novellen haben eine ganz andere Sprache als die , welche sich in jenen anderen Kreisen abspielen . Man vergleiche z . B . die Schwänke 'Wie der Deutsche die russische Sprache kopierte' ( Nr . 202 ) , 'Die Rede eines Deutschen' ( Nr . 205 ) , die auf grossrussischen Wortspielen beruhen , und man wird sich sogleich überzeugen , dass dergleichen im Munde des 'ukrainischen' Bauernvolkes selbst in der Nähe der grossrussischen Sprachgrenze undenkbar ist . Ohne Zweifel gibt die Sammlung ein ungemein reiches Material zur näheren Kenntnis des Geschlechtslebens des genannten " V olkes wie auch für allgemeinere Studien auf diesem Gebiete . Ziemlich zahlreich sind Erzählungen , wo licher Verkehr mit Tieren , besonders mit Stuten , gepflegt wird ( Nr . 51—54 . 110 . 283 ) , gleichgeschlechtlicher Verkehr ist sehr selten ( Nr . 50 ) , Päderastie wird nur von Grusinern erzählt ( Nr . 223 ) . Zur Märchenforschung und Stoffgeschichte finden wir in dieser grossen Sammlung verhältnismässig recht wenig : Münch - hauseniade ( Nr . 83 ) ; der Schwank von dem Tragen des Pfarrers in den Himmel ist in Nr . 93 eigentümlicherweise mit einer an das Motiv vom Mann aus dem P'aradies erinnernden Geschichte verbunden ; der Priester meint schwanger zu sein , der verwechselte Urin bezeugt es ( Nr . 106 ) ; wer die Schöne überredet , wird belohnt ( Nr . 199 ) ; eigensinnige Eheleute , wer zuerst spricht , schliesst die Tür ( Nr . 208 ) ; Mann und Weib tauschen ihre Arbeit aus ( Nr . 228 ) ; wenn der Teufel errät , worauf der Mann geritten kommt , gehört ihm das Getreide ( Nr . 229 ) ; die untreue Frau mit ihrem Verehrer vom Manne überrascht , der Liebhaber stellt sich als Heiligenbild , nicht Statue , auf [ die Orthodoxen haben , wie bekannt , keine Standbilder ( Nr . 259 ) ] ; die Eule verrät die Untreue der Frau ( Nr . 261 ) ; die versteckten Leckerbissen ( Nr . 262 ) ; drei Ratschläge oder Wahrheiten gekauft ( Nr . 278 ) ; verschiedene Namen gibt sich der Mann , der die Haustochter gewaltigt hat ( Nr . 284 ) ; der Mann aus dem Paradies ( Nr . 287 ) ; Doktor Allwissend ( Nr . 291 ) ; Judas in den Höllenpfuhl getrieben ( Nr . 292 ; vgl . Köhler , Kl . Sehr . 2 , 595 ) ; Hasen hüten und drei Säcke voll lügen ( Nr . 296 ) . 
Verschiedene Überlieferungen in Versen und Prosa sammelt Marko Hrusevskyj ( Mitt . d . ¿evcenko - Ges . 91 , 1—32 ) , von historischen Persönlichkeiten und keiten der Ukraine , vom Schatze Chmelnickijs . Hierzu noch ein paar Bemerkungen ( ebd . 97 , 116 ) . — Einige Sagen von Riesen teilt P . S m ola mit ( ebd . 103 , 203 ) ;
	        
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