Volltext: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 22.1912

Kleine Mitteilungen . 
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Noch einmal die Sage von Ahasver . 
( Vgl . oben S . 301 . ) 
Herr Professor Koenig bestreitet von neuem die Richtigkeit der Annahme , dass Roger von Wendower die Quelle für den deutschen Erzähler gewesen sei . Ich hatte darauf hingewiesen ( oben S . 42 ) , dass der Verfasser des deutschen buchs kein unbelesener Mann gewesen sein wird1 ) . Er war , wofür Gaston Paris den Beweis geliefert hat , Protestant , und ist sicherlich auch auf das in 'schroff anti - kurialistischer' Richtung2 ) sich bewegende englische Geschichtswerk gestossen , das schon wegen seiner Tendenz bei den Protestanten günstige Aufnahme fand3 ) . Die darin befindliche Cartaphilus - Erzählung — andere Berichte kannte er nicht — hat er in freierWeise mit Änderung des Namens und des religiösen Bekenntnisses zu einer Novelle gestaltet , welche er , um ihr grössere Glaubwürdigkeit zu leihen , mit einer der bekanntesten Persönlichkeiten seiner Heimat , mit Paul von Eitzen , in Verbindung brachte . Nur dadurch erklärt sich die selbst von Bertheau , der auch zwei selbständige Berichte anzunehmen nicht abgeneigt war ( in Haucks Realencyclopädie 9 , 595 ) , anerkannte 'auffallende Ähnlichkeit' der deutschen Erzählung mit der mittelalterlichen . 
Das Volksbuch ist in Schleswig - Holstein entstanden , woselbst es um 1602 keine Juden gab ( oben S . 40 ) , also die Voraussetzung für ein von Koenig dort angenommenes Interesse für eine in Ahasver sich darstellende Personifikation des jüdischen Volkes mit 'versöhnlicher Stimmung gegenüber Jesus in manchen seiner Elemente' schwerlich zutreffend sein kann , weil doch , wie ich früher bemerkt hatte , dem Verfasser in erster Reihe seine Landsleute als Leser erwünscht gewesen sein werden . Ohne jede Begründung erklärt Koenig , dass in jenem Lande Juden , wenn auch nicht 'offiziell geduldet' , anzunehmen seien , und dass der Nachdruck des Ahasvérus - Buches in Schleswig durch die Rücksichtnahme auf jene stellung bedingt war . Beide Behauptungen sind sicherlich unrichtig . Der drucker Niclaus Wegener hatte schon vorher eine Reihe von Werken Eitzens 
der bei Erk - Böhme , Liederhort 3 , 189 nr . 1303—1306 mitgeteilten Ballade nicht ungern gedruckt sehen ; vgl . noch Kopp , Euphorion 9 , 34 und Archiv f . neuere Sprachen 111 , 263 ; Kopp , Ältere Liedersammlungen 1906 S . 103 ; Blümml , Futilitates 1 , 101 ; E . John , Volkslieder aus dem Erzgebirge 1909 nr . 181 . Hessische Bl . f . Volkskunde 9 , 81 ; F . van Duyse , Het oude nederlandsche Lied 1 , 792 nr . 217 ; Lambert , Chansons populaires du Languedoc 2 , 209 'Boun maiti' ; Servettaz , Chants et chansons de la Savoie 1910 p . 149 nr . 65—66 . ] 
1 ) Dass er u . a . Marcus Wagners Buch über Stübner ( 1596 ) gelesen haben muss , ergibt sich besonders aus der von Stübner auf Ahasvérus übertragenen Angabe , dass ein 'fliegender Geist' ihm vieles offenbart haben müsste . Diese Verbindung ist so gewöhnlich , dass sie im Grimmschen Wörterbuch weder unter 'fliegend' ( 3 , 1785 / 86 ) , noch unter 'Geist' verzeichnet ist , obwohl letzterer Artikel nicht weniger als 118 Spalten umfasst ( 4 , I , 2 . Sp . 2623—2741 ) . 
2 ) Beispielsweise sei die von H . Plehn ( Der politische Charakter von Matheus Parisiensis 1897 S . 106 ) aus den Chronica majora IV , 410 angeführte Stelle erwähnt : Foetor ( curiae Papalis ) usque ad nubes fumum teterrimum exhalabat . 
3 ) Der heftige Gegner Roms , Flacius Illyricus , hatte schon 1556 Auszüge aus dem damals noch ungedruckten Werke geliefert ; ebenfalls ein Protestant besorgte 1571 die erste einigermassen vollständige Ausgabe , und ein Nachdruck davon wurde 1589 falls durch einen Protestanten hergestellt .
	        
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