262
Naegele :
einleuchtend scheint die Begründung für diese seltsame Erscheinung zu sein , die in anderem Zusammenhange der bayerische Steinkreuzforscher Michael Ra ich gibt : die Kreuzsteine , ohne Buchstaben und ohne zahl , dem frommen Andenken jäh Verstorbener gewidmet , hätten auch in dieser stummen Sprache ihren Zweck erreicht , die Vorübergehenden zum Gebet für deren Seelenruhe aufzufordern . Die einheimischen Zeitgenossen wussten ja , um wen es sich handele , für Fernerstehende hatte die volle Namensangabe so wenig Bedeutung als die Anfangsbuchstaben1 ) . Weniger einleuchtend dürfte die Erklärung sein , die für das mit Unrecht allgemeinerte Fehlen jeglicher Inschriften der böhmische Forscher Alberti geben will ; ihm ist es ein Beweis , dass die Steinkreuze aus einer Zeit stammen , in welcher die Kunst des Lesens noch wenig breitet war2 ) .
Doch immerhin sind wir so glücklich , teils aus den Denkmälern selbst , teils aus den alten Urkunden die verwischten oder noch baren Züge schriftlicher Aufzeichnungen in den Steindenkmälern zustellen , zu entziffern und zu deuten und an der Hand von Orts - oder landesgeschichtlichen Quellen , zuweilen auch lebendiger Volksüberlieferung den schweigsamen Stein zum Reden zu zwingen . Das älteste datierte Steinkreuz scheint nach den bisherigen Funden das zu Varmissen im Hannoverschen mit der Jahreszahl 1260 zu sein3 ) . Aus allen folgenden Jahrhunderten finden sich einfache Datierungen bis zum Ende des 18 . hunderts . Ja , wenn wir auch die Steinplatten mit reliefartig eingehauenem Kreuz mit gleichem Recht wie die in Kreuzesform ausgehauenen Steine als Kreuzsteine bezeichnen dürfen , erstreckt sich ihr Vorkommen weisbar über nahezu sieben Jahrhunderte . An der Distriktsstrasse bühl - Bachhofen , östlich von Burk , steht eine solche mit Kreuz und Inschrift : 'Hier wurde Jettenbach ermordet und beraubt . J . P . D . M . 1806 . Das letzte datierte Steinkreuz , nicht zur Sühne für Totschlag , sondern zur Erinnerung an einen Unglücksfall gesetzt , steht an der Strasse lingen—Rossbrunn am Hasenkünckel ( Marktheidenfeld , Bayern ) , mit der Datierung des Todes des vom Wagen erdrückten böhmischen Fuhrmanns Johann Jerlitzschka von Plattnitz , 2 . September 18264 ) .
Am 'Totenweg' von Kirchbierlingen nach Volkersheiin steht ein Steinkreuz von 1521 , zwischen Untermarchtal und Lautrach eins mit der Jahreszahl 1771 , zwischen Huldstetten und Tigerfeld 1726 , die einzigen datierten , die ich bis jetzt in Ober - schwaben gefunden ; das ausgesprochen gotische bei Schwab . Gmünd ( Abb . 1 ) trägt die Jahreszahl 1541 mit dem ominösen Z , das erst seit dem 15 . Jahrhundert für 2 vorkommt . Bei Zavelstein trägt ein weit älteres Steinkreuz die Inschrift : anno domini 1447 , wegen seiner Erwähnung bei Crusius und seines geheimnisvollen Zeichens besonders bemerkenswert und unten noch eigens zu erwähnen . Häufiger
1 ) Katholik 84 , 47 . — 2 ) A . a . O . S . 24 . — 3 ) Otte - Wernicke 1 , 382 .
4 ) Deutsche Gaue 9 , 161 . 184 .