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Volltext: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 22.1912

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rückt . Daran schliesst sich eine Besprechung der einzelnen Stücke männlicher und weiblicher Kleidung im allgemeinen . In diesem Kapitel wäre der Satz zu beanstanden : 'Hat es aber keine deutsche Tracht jemals gegeben , so noch weniger eine deutsche Volkstracht' ( S . 5 ) . In der Theorie , die aus Abbildungen destilliert ist , sieht das allerdings so aus , und fraglos hat es vor Jahrhunderten bereits Zeiten gegeben , wo keine Spur einer Volkstracht zu finden war , ja für die Männertracht ist das , was Sp . sagt , bedingungslos zu unterschreiben . Anders steht es aber mit der Frauenkleidung , die merkwürdigerweise immer und überall nationale Eigentümlichkeit stärker und länger zum Ausdruck gebracht hat als die der Männer . Spanische , französische Männermoden sind längst . vergessen , die englische macht die Männertracht aller Länder zu einer einheitlichen . Nur bei Frauenmoden tritt bis in unsere Zeit französische und englische Eigenart in scheinung . So liesse sich bei gründlicher Kenntnis deutscher Tracht und scharfem Blick für das Wesentliche auch ein typisches Bild der deutschen Bäuerin der drei letzten Jahrhunderte schaffen . Wenn die Behauptung , wir hätten keine deutsche Volkstracht , auch auf die Frauentracht ausgedehnt werden soll , so ist dies ein Fehler , der seinen Ursprung in dem später zu erörternden Grundfehler unserer Volkstrachtenkunde hat . 
Was die Mannigfaltigkeit der Volkstracht betrifft , die durch Variierung dor Grundform und durch Zutaten entsteht , so erörtert der Verfasser sie nach schaftlichen , konfessionellen und ethnographischen Verschiedenheiten . Bei sprechung der ersteren betont er sehr richtig ( S . 31 ) , dass hierbei sehr deutlich alte politische und territoriale Grenzen erkennbar sind ; ist doch das , was bei uns heute als letzte Volkstracht stirbt , zu einer Zeit entstanden , da Deutschlands Karte anders aussah als heute . Konfessionelle Unterschiede lehnt er ab , kommt aber doch im zweiten Kapitel 'Entwicklung der Volkstracht' auf die Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaft zu sprechen , die ja auch in den 'Kirchspieltrachten' deutlich zum Ausdruck gelangt ( S . 44 ) . Ethnographisch bedingte Verschiedenheit lehnt er gleichfalls ab , hält aber die weisse Trauer der Wenden für eine solche ; 'denn da , wo man diese Besonderheit findet , sitzt nachweislich wendische Bevölkerung' . Dies findet sich auf S . 33 , wo auch der Satz steht : 'Der ethnographisch bedingte Hausbau ( fränkisches , alemannisches , sächsisches Haus ) ist zu den Toten gelegt , nachdem die Dialektforschung mit der Beseitigung der ethnographischen logie vorangegangen war . Die Trachtenforschung wird wohl oder übel folgen müssen . ' Wegen dieses Satzes müsste man Sp . zu einer näheren Erklärung ausfordern oder ihn bitten , einmal den Wanderstab zur Hand zu nehmen und Deutschland zu durchqueren . Denn weisse Trauer findet sich allerdings auch heute noch bei den Wenden , aber nicht ausschliesslich bei ihnen , sondern in schiedenen Gegenden , wo sich alte Tracht erhalten hat . So legen die West - fälinnen im Kreise Minden bei Trauer ihre breite schwarze Kopfbinde ab und eine weisse Unterhaube an , die bis tief in die Stirn reicht , und in Hessen wird z . B . in Steinperf über der dort üblichen schwarzen Haube eine weisse tragen . Die Bäuerinnen des deutschen Dorfes Schönwald in Schlesien aber haben noch bis 1905 die weisse Trauer beibehalten , sogar beim Begräbnis ein weisses Laken um sich hüllend wie die Wendinnen . Es dürfte sich hier vielmehr um Ueste der alten allgemeinen Sitte handeln , in Schwarz und Weiss zu trauern , die im 17 . Jahrhundert auch noch an Höfen Sitte war . Die weissen Tücher , die das schwarze Gewand völlig oder doch zu einem grossen Teil bedeckten , hiessen 'Leidschleyer' , und es gab eigene 'Schleyerfrauen für das Frauenzimmer , so in Leid gehet' , welche ganz genau das Zeremoniell der Trauervorschriften , je nach dem Grade der Verwandtschaft zu 'schleyern' kannten . Das Leinentuch , das die
	        
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