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Reichhardt :
Sagen aus NordthilriDgen .
Im Volke gesammelt von R . Reichhardt .
I . ßannsagen .
1 . Wenn man bannen will , so mnss man sich einen Zauupfalil zu schaffen suchen , welchen ein „ Seheidemann " , also ein geschiedener mann , in den Zaun gesetzt hat . Wenn diesen Zaunpfahl ein Hirt in seinen Hürdenzaun , ein Gärtner in seinen Gartenzaun u . s . w . setzt , so bannen sie damit die Spitzbuben , welche in ihre Besitzung eindringen wollen .
2 . Der gebannte Spitzbube . Der alte , längst verstorbene Förster in Königsthal verstand das Bannen . Sobald er einen Spitzbuben auf seinen Dienstländereien sah , ging er um denselben im Kreise herum . Wenn der Kreis geschlossen war , murmelte er einen Spruch , und dann konnte sich der Dieb nicht von der Stelle bewegen . So blieb ihm denn nichts übrig , als den herzukommenden Förster flehentlichst zu bitten , ihn frei zu lassen . Der Förster hielt den Gebannten jedesmal erst eine tüchtige Strafrede und liess sie wieder frei , indem er um sie den Kreis wieder zurückging .
3 . Die gebannte Hexe . In Immenrode lebte ein Mann , welcher bannen konnte . Dieser bannte eine Frau , welche als Hexe verschrieen war , in einen Dornenzaun . Sie musste so lange darinnen bleiben , wobei sie sich schrecklich zurichtete , bis er sie durch seine Sprüche wieder löste .
4 . Der Schäfer . Ein alter Schäfer in Steigerthal konnte bannen . Wenn er des Nachts in seiner Schafbucht bei den Schafen lag , so bannte er die Spitzbuben , welche Schafe hatten stehlen wollen . Am anderen Morgen sassen die Diebe denn auf der Umzäunung fest , die gestohlenen Schafe auf dem Rücken , ohne dass sie sich von der Stelle zu bewegen vermochten . Erst auf ihre flehentlichen Bitten wurden sie vom Schäfer wieder befreit .
5 . Der Zwiebeldieb . In Ilfeld lebte ein Mann , welcher einst in der Nacht aus seinen Büchern ersah , dass ihm ein Dieb auf seinem Acker Zwiebeln stahl . Er sprach seinen Spruch , und alsobald war der Dieb gebannt , so dass er nicht von der Stelle konnte . Am anderen Morgen ging der Mann auf das Feld . Schon von weitem bat ihn der Dieb , er möge ihn doch von seiner Qual erlösen . Das that dieser auch und da ihn der Mann dauerte , so liess er ihm die Zwiebeln , ja er gab ihm noch Geld dazu , warnte ihn aber davor , je wieder auf Stehlen auszugehen , da es ihm sonst schlimmer ergehen würde .