Volltext: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 11.1901

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Schütte , Lewy und Ilwof : 
Drohung und Verspottung beim Versagen einer Bitte . 
Während die Kinder der alten Griechen , wenn sie bei der Rückkehr der Schwalbe ihr Liedchen sangen und eine Gabe heischten , beim Yersagen ihrer Bitte mit Worten drohten , denen man anmerkte , dass sie nicht ernst gemeint waren und sich gleichsam entschuldigten , dass sie ja Kinder seien , sind unsere Jungen gröber und ausfallender in ihren Aussprüchen . Wird den zu Neujahr singenden Kindern in Schöningen keine Gabe gegeben , so rufen sie wohl : 
„ Dill Dill Dill 
Un wenn se mik nist geben willt , 
Sau schit ik op en Süll . " 
Und in Braunschweig riefen sie früher beim Martensingen : 
„ Marten Marten hille , 
Dat Kind sitt up en Sülle , 
Et hat den Arsch wit opedân , 
Da könnt se alle rindergân . " 
Natürlich alle die , die der Bitte um eine Gabe nicht entsprochen hatten . 
Braunschweig . Otto Schütte . 
Erziehung zur Aufmerksamkeit . 
Das Volk , das sich meist derb ausdrückt , sucht auch in derber Weise seine Mitmenschen zum Aufpassen zu erziehen . Hat jemand aus Unaufmerksamkeit etwas nicht verstanden und fragt „ wat ? " , so bekommt er die Antwort : „ Watte nich , Bomwulle " oder „ Water is kein Beir " . Sagt er „ ik dachte " , so muss er hören : „ Dachte ( Dochte ) sind keine Lichte " oder es wird ihm erwidert : „ Denken daut de Puter , klauke Lüe , dë wett datt all . " Solche Erwiderungen zu hören ist unangenehm , der Mensch wird aber dadurch zur Aufmerksamkeit erzogen . 
Braunschweig . Otto Schütte . 
Das Vogelnest im Alberglauben . 
Herr Prof . Dr . G . Hertel erwähnt ( unsere Zeitschrift für Volkskunde XI , 279 ) nach einer dem Ende des 15 . Jahrhunderts angehörenden Handschrift als Beispiel dafür , dass auch gefundene Sachen abergläubische Bedeutung haben , folgendes : „ Wenn man ein Vogelnest findet , die Mutter weglliegen lässt , die Jungen aber behält , so bringt dies Glück , und ein solcher wird lange leben " 
Dieser Aberglaube beruht offenbar auf einer Bibelstelle , und nicht das Finden des Nestes oder das Behalten der Jungen ist die Hauptsache , sondern das Fliegenlassen der Mutter . Im Deuteronomium XXLI , 6 findet sich das Gebot : „ Wenn ein Vogelnest sich vor dir findet auf dem Wege , auf irgend einem Baume oder auf der Erde , Küchlein oder Eier , und die Mutter ruht auf den Küchlein oder auf den Eiern , so sollst du nicht die Mutter auf den Jungen nehmen . Fliegen lassen sollst du die Mutter , die Jungen aber darfst du dir nehmen , auf dass es dir wohlgehe und du lange lebest . " Die Verheissung am Schlüsse findet sich nur noch bei einem einzigen anderen Gebote im ganzen Pentateuch : „ Ehre deinen Vater und deine Mutter ! " ( Deut . V , 1 ( > ) . Und diese Thatsache spricht für die Auffassung ( S . R . Hirsch , Der Pentateuch V , 323f . ; Dillmann , Num . Deut , u . Jos . 2 343 ) , dass die Vogelmutter deshalb vom Gesetze geschützt wird , weil sie in der Erfüllung ihrer Mutteraufgabe begriffen ist .
	        
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