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Erhardt .
in beiden Fällen ein anderer . Tritt man an eine Sache von vornherein mit skeptischen Blicken heran , so wird man nur zu leicht Vorzüge übersehen und Fehler auch da entdecken , wo keine sind . In diesem Skepticismus , mit dem man seit Wolf und Lachmann die homerischen Gedichte zu betrachten pflegte , glaube ich eine schwäche der ganzen neueren Kritik zu erkennen . Stellt man vollends sein ästhetisches Urteil in den Dienst einer bestimmten Theorie , sei es , dass man in Lachmanns Weise das Epos in eine Reihe von Liedern aufzulösen sucht , sei es , dass man als Anhänger der Interpolationstheorie , — denn das kommt in diesem Falle ziemlich auf dasselbe hinaus — in der Weise von Nitsch , Bergk u . A . die wahren und untadelhaften Weike des alten Dichters zustellen unternimmt , indem man widerspruchsvolle Stücke ausmerzt , — wie leicht wird man sich da nicht reden , dass die der Theorie halber zu beseitigenden Stücke schlechtes Machwerk seien , dass in ihnen ein ganz anderer Geist herrsche und was dergleichen Eeden mehr sind .
Wir haben damit schon den zweiten Fehler berührt , der meiner Meinung nach den Lachmannschen und lichen Forschungen anhaftet . Diesen Fehler erblicke ich in der Fragestellung , mit der man an die Zerlegung der Gedichte heranging . Man begnügte sich nicht zu suchen , wie die homerischen Gedichte , so wie wir sie jetzt haben , beschaffen sind , sondern man fragte auch gleich , wie sind sie einst beschaffen gewesen . Diese Frage aber schießt wenigstens über das zunächst zu erstrebende Ziel schon hinaus , sie gibt der Untersuchung gleich eine besondere Richtung und beeinträchtigt die Unbefangenheit des Urteils . Die wahre Analyse eines Werkes wird sich vielmehr zunächst auf die bloße eindringende Beobachtung des vorliegenden Stoffes zu beschränken haben , ohne jeden Nebengedanken , ohne jeden Versuch , gleichzeitig etwa eine frühere , nur verloren gegangene Ordnung stellen . Wie der Meteorologe seine Beobachtungen von