Ueber Gebräuche und Aberglauben beim
Essen .
Von Carl Haberland .
Vielfach ist das tägliche Leben des Menschen nicht nur auf höheren Culturstufen , sondern auch auf den niederen , ailch im Naturzustande , durch mancherlei Satzungen geengt , welche ihm dieses und jenes verbieten , ohne dass die Vernunft an sich diese Verbote rechtfertigen würde . Die Bestimmungen der sogenannten guten Sitte , des erbten Brauches sind diese Tyrannen für die höhere Cui tur ; für die niedere ist es allerdings auch der ererbte Brauch , aber basirt in seiner Hauptsache auf dem Aberglauben , auf der irrigen Voraussetzung , dass gewisse Handlungen zweifellos von Folgen begleitet sind , welche , obgleich in gar keinem Causalnexus mit ihnen stehend , doch dem Geiste als durch sie bedingt erscheinen . Wie dieser Aberglaube in einzelnen Zweigen auch noch in die höheren Cultur - zustände , oft unverstanden , oft umgedeutet , hineinragt , so erscheint er andererseits auch bereits auf den niederen Stufen mannigfach als feststehende gesellschaftliche oder religiöse Satzung , deren eigentlicher Grund bereits dem Bewusstsein entschwunden ist , deren Verletzung aber die in der ursprünglichen abergläubischen Idee begründete Strafe nach sich zieht ; im Allgemeinen ist aber der glaube auf diesen Stufen noch lebendig genug , um die treifenden Handlungen oder Verbote aus ihm ebenso richtig und bewusst wie jede vernünftige Handlung aus der vernünftigen Erwägung hervorgehend erscheinen zu lassen .
Zeitschrift für Völkerpsych . und Sprachw . Bd . XVII . 4 - 24