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H . Steinthal ,
Gegenteils , also an einer Veränderung , die entweder eine Vervollkommnung oder Verschlechterung ist , an dem Ueber - gange aus einem Zustande in den andern .
Jeder Mensch hat das Recht dem andern ein Bild seiner Persönlichkeit darzubieten und muss darauf halten , dass dieses Bild nicht veruntreut werde . Dafür ist es billig dass jeder dieses Bild beurteile . Nach welcher Idee soll er hier urteilen ? Er soll ihn nicht am Ideal messen ; das wäre Rechnung , aber kein Urteil . — Zwei Menschen , deren gegenwärtiges Leben uns vorliegt , mögen auf gleicher Stufe stehen , dem Ideale gleich fern . Sie erfahren aber trotz dieser Gleichheit in unserm Richterspruche nicht gleiche Gunst ; sondern wir loben den Einen : denn er ist seit einer bestimmten Zeit gestiegen ; wir tadeln den Andern : denn er ist gesunken . — So greift die Idee der Vollkommenheit , wie in die der Freiheit , so auch in die der Billigkeit über ; aber weder ist diese deshalb Billigkeit der Vollkommenheit , noch jene etwa Vollkommenheit der Billigkeit .
Diese Auffassung der Idee der Vollkommenheit als vollkommnung findet sich auch bei Griepenkerl in der Aesthetik , wenn auch nicht streng festgehalten . Er bemerkt ( S . 54 ) , dass die Warnehmung des Wachstums , des schreitenden Wandels , gefalle , wobei , wenn Ausgangs - und Ziel - Punkt an sich gleichgültig sind , es vom subjectiven Interesse abhängen könne , ob der Fortschritt nach der einen oder nach der entgegengesetzten Richtung gedacht werde . »Hell und Dunkel sind an ihren beiden äußersten Grenzen einander rein entgegengesetzt ; zwischen ihnen aber fließen sie in einander über . Beide Vorstellungen sind an sich gültig , und es kann bald die eine , bald die andre , eine hervorragende Aufmerksamkeit erregen . Aus diesen Gründen wird man Morgens mit gleichem Wohlgefallen den Tag wachsen sehen , wie man ihn Abends zur stillen Nacht begleitet . « Daher kommen , führt er weiter aus , für die Kunstlehre die Uebergänge hier vorzugsweise in Betracht .
Und auch Herbart spricht ja oft genug von der vollkommnung , vom Wachsen ( Pädagog . Vöries . §§ 17 . 183 ) .