Volltext: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, 11.1880

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H . Stein thai , 
I . Kritik Herbarts . 
1 ) Der Sitz der Vollkommenheit . 
Der eigentliche Gegenstand der Ethik ist der Wille ; ihre erste und hauptsächliche Frage ist ; welches Wollen ist gut ? Erst hiernach kann gesagt werden , was alles der Mensch als 
( worauf eine billige Vergeltung erfolge ) . — Bei so scharfem Unterschiede zwischen den beiden Disciplinen braucht , wer sich sicher fühlt , wer sicher unterscheidet was Psychologie und was Ethik will : sich nicht zu scheuen , indem er Ethik treibt , tief und mit voller Hand in das logische Material hinein zu greifen , sobald Klarheit und Deutlichkeit , sobald Bestimmtheit und Fruchtbarkeit der ethischen Entwicklung es fordert . 
2 ) Wegen dieser scharfen Sonderung war es ein Irrtum , wenn Trendelenburg meinte , Adam Smith und David Hume seien die gänger Herbarts . Zwischen jenen englischen Philosophen und dem deutschen steht eben Kant ; und Herbarts ethische Ideen müssen genau so formal und apriorisch gefasst werden , wie Kants Grundsatz der Ethik , wie der kategorische Imperativ : die Ideen dürfen nicht verwechselt werden mit den Gefühlen der Sympathie und dergleichen Regungen eines gutmütigen Herzens , die freilich für den Pädagogen höchst wichtig sind . Die Ideen aber lehren uns bloß Willens - Verhältnisse kennen , welche ein Billigen oder Verwerfen in uns erregen . 
3 ) Wenn die Mathematik von Congruenz und Aehnlichkeit spricht und damit mehr beansprucht als eine dilettantische »Deutung« von Zeichnungen : so kann auch die Ethik von der qualitativen und tativen Gleichheit oder Ungleichheit zweier Willen reden und von der Billigung oder aber Misbilligung , welche diese Willen im Gemute des Zuschauers erwecken , kurz von den Ideen der Willen , ohne befürchten zu müssen , vom platonischen Sokrates , dem Freunde der Ideen und der Mathematik , verachtet zu werden . 
4 ) Eine der Aesthetik analoge Bearbeitung der Ethik ist noch keine »Gleichstellung des Moralischen mit dem Aesthetischen« . Sollte aber für jemanden selbst die Analogie der Betrachtung schon »beleidigend« sein : so bedenke er doch , dass zum Schönen auch und vor allem so etwas wie die Aeschyleische Tragödie und die Beethovensche Musik gehört . Wie wäre wohl Schillers Enthusiasmus für das Schöne zu erklären ? 
5 ) Indem die Ethik mit der Aesthetik zusammengeordnet wird , wird sie von der Metaphysik getrennt . Das aber kann und soll nicht heißen , das Sittliche habe keine Realität . Das Sollen und die ethischen Ideen
	        
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