Die ethische Idee der Vollkommenheit .
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ergibt und der vielleicht ein höchster Punkt ist , gegen den jeder andre nur als Minus erscheinen kann . Dann
drittens , mag noch Herbarts Formulirung der Idee der Vollkommenheit geprüft werden .
Wenn sich dann ergeben haben wird , dass Hei baits Ansicht nicht zu halten ist und aufgegeben werden muss : so wollen wir versuchen , das Problem selbständig zu erörtern und die aufgeworfenen Fragen unter veränderten setzungen zu beantworten * ) .
* ) Eine weiter gehende Kritik wird hier nicht beabsichtigt . Nur wo sie sich durch unsre positive Darlegung unbeabsichtigt ergibt , wird auch darauf hingewiesen werden . — Doch scheint mir die Sicherung des richtigen Verständnisses folgende Bemerkungen zu fordern :
1 ) Ethik und Psychologie sind ganz ungleichartige Disciplinen . Sie betrachten , zwar beide dasselbe Object , den Willen ; aber sie betrachten ihn in verschiedener Weise . Nicht jede Beschäftigung mit logischen Objecten ist auch sogleich . Psychologie : sonst müsste diese wohl alle Wissenschaft vom Geiste in Gegensatz zu der schaft umfassen . Psychologie kann nur heißen eine empirisch - schaftliche Betrachtung des Bewusstseins in psychologischer Absicht , mit psychologischen Kategorien . Eine speculative Betrachtung desselben Bewusstseins aber in ethischer Absicht , mit ethischen Kategorien , ist Ethik . Dies ist nur die Anwendung des allgemeinen Gesetzes , dass nicht das Object , sondern die Methode eine Disciplin bestimmt . Wenn z . B . die Mathematik lehrt , zwei gerade Linien , welche nach beiden Seiten ins endlose verlängert sich niemals berühren , seien parallel ; rühren sich dieselben aber in einem Punkte , so entstehe ein Winkel , der ein rechter oder spitzer oder stumpfer sein könne ; und schneiden sich zwei Linien , so entstehen um den Schneide - Punkt vier Winkel , von denen die je zwei sich gegenüberliegenden einander gleich sein müssen : so wird niemand behaupten , die Mathematik leite ihre Sätze aus der »Erfahrung« ab ; sie lehre zeichnen oder sie »entwerfe Zeichnungen« und sei »ein Specialproblem der Psychologie« , obwohl diese natürlich auch von räumlichen Vorstellungen zu reden hat . So wird denn auch klar sein , dass Herbart nicht in die Psychologie gerät , wenn er in der Ethik die Willen gerade so stofflos nimmt , wie der Mathematiker die Linien und wenn er in gleichem apriorischem Formalismus darauf hinweist , dass der Wille des einen wollenden Wesens ( wobei , wenn man nicht will , gar nicht bloß an die Menschen gedacht zu werden braucht ) den des andern ( wohl - oder übelwollend ) begleiten oder mit ihm treffen ( und ein Bechtsverhältnis stiften ) oder ihn durchschneiden kann
Zeitschr . für Völkerpsych . und Sprachw . Ed . XI . 2 . jo