Das Ich im Leben der Völker .
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Glück denken , um welches er nicht von recht vielen beneidet wird . Darum gehört zum Helden ein Sänger , der die taten weithin verkündet , denn
Paullum sepultae distat inertiae celata virtus . ( Herat .
Od . IV . 9 ) .
Ossian's Held Caibar findet erst Ruhe im Grabe , nachdem sich ein Barde gefunden , der seine Taten besingt . Deswegen begleitete die ägyptischen Könige immer der Schreiber , der genau alles , was der König tat , was er opferte , wie viel Jagdtiere er erlegte u . s . w . aufzeichnete . Darum der Wert , der auf Ahnenreihen gelegt wird , auf Abstammung oder Verwantschaft mit Heroen , und deren Cultus .
Endlich hängt damit zusammen die Erhöhung des Selbstgefühls durch die Verbindung , in welcher man sich mit der Gottheit dachte . Hier bekommt die Vorstellung des eignen Ich noch einen besondern Halt und eine stärkung durch Anlehnung an dasjenige , was als das Höchste gilt , und mag die Anlehnung des eignen Ich an das liche noch so loose sein . M . Müller berichtet von einem Samojedischen Weibe , ihre ganze Religion bestehe darin , dass sie jeden Abend und Morgen aus ihrem Zelte trete , sich vor der Sonne verneige und sage : Wenn du dich erhebst , erhebe auch ich mich . Wenn du niedersinkst , gebe auch ich mich zur Ruhe . Müller fügt ganz treffend hinzu : »uns scheint es dürftig und nichtssagend , aber nicht ihr , denn es hob die Gedanken des alten Weibes wenigstens zweimal am Tage von der Erde zum Himmel , es gab ihr eine Ahnung , dass ihr kleines Leben mit einem weitern und höhern Leben verknüpft sei , es gab der täglichen Runde ihres kümmerlichen Lebens denn doch einen heiligen Schein und eine tiefere Bedeutung . Auch war sie offenbar stolz auf ihre Frömmigkeit , denn sie fügte voll Bedauerns hinzu : dass es auch unter ihnen rohe Wilde gäbe , welche nie ein Gebet zu Gott empor sendeten« * ) .
* ) Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft . 1876 . S . 179 .
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