Ueber das altgermanische Königthum
von
Dr . Immanuel Rosenstein .
Das altgermanische Königthum ist eine eigenartige Bildung , welche sich in ihrer Entwicklung von den entsprechenden poli - tischen Bildungen anderer Völker unverkennbar unterscheidet . Allerdings zeigt sich in der ursprünglichen staatlichen Entwicklung der Deutschen im Allgemeinen wie in der ersten Ausbildung des Königthums im Besonderen eine gewisse Verwandtschaft mit den uns bekannten und nachweisbaren ersten politischen Entwicklungen bei den Hellenen und Römern , eine Verwandtschaft , die in erster Linie wohl auf die gemeinsame indogermanische Abstammung jener Völker zurückzuführen ist . Selbstbestimmung , Selbstregie - rung , Souveränetät der gesammten Staatsgemeinschaft in mehr oder minder klarer und bewußter Ausprägung — sind die teristischen Eigenthümlichkeiten der graeko - italischen und ger - manischen Stämme , welche durch jene zuerst zu nachweisbarer Geltung und Herrschaft in der historischen Entwicklung der Kölker gelangen , und von diesen nicht einfach nachgebildet , son - dern auf Grund analoger Veranlagung ebenfalls selbständig und ^genthümlich ausgebildet werden gegenüber den Prinzipien blin - den Gehorsams , unweigerlichen Folgens , welche die despotische Alleinherrschaft bei den orientalischen Völkern zur Geltung ge - ^'acht hatten . Von gemeinsamen Grundlagen aus hat sich die politische Entwicklung jener beiden Völkergruppen alsbald ver - lchieden genug gestaltet . Auch bei Griechen und Römern steht bie Monarchie , das Königthum , als eine erste Erscheinungsform bes staatlichen Lebens da , aber sie gelangt zu keiner weiteren Ausbildung , sondern wendet sich alsbald der Republik zu , und Zwar vollzieht sich diese Wandelung in dem ganzen Bereich der
^eitschr . für Völkerpsych . u . Sprachw . Br Vit - 8