Die statistische Bedeutung der Volksprache rc .
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ihren Ursachen , wo es so nahe liegt zu fragen : wo trifft es dich ? bis zu den zarteren , ungleich mehr von der psychischen Beschaffenheit abhängenden Verhältnissen der Familienbildung , der Geschlechtsverbindung , der Fortpflanzung , welche selbst die statistische Wissenschaft noch in den Hintergrund stellt , — giebt es aus allen diesen Gebieten einen Gegenstand , der so sehr dem Innersten des Menschen entsprossen und unter allen äußeren Einwirkungen ihm so sehr eigen geblieben ist , als die Sprache , ihre Uebereinstimmung und ihre Verschiedenheit ? — Man wird mir erwidern , daß die Statistik der religiösen Bekenntnisse eine noch höhere geistige Einheit zum Gegenstände ihrer Beobachtung i habe . Aber dies wäre nur dann zuzugeben , wenn das religiöse Bekenntniß so sehr den getreuen Ausdruck des gemeinsamen giösen Bewußtseins aller demselben Angehörigen darstellte , wie uns die Sprache den Ausdruck der Denksorm jeder Nation gewährt .
Die Liebe zur Sprache des eigenen Volkes , zur Sprache der Familie , wie sie unsere Statistik heißt , zur Muttersprache , wie ein lieblicher deutscher Ausdruck sie bezeichnet , ist etwas gemein Menschliches . Sie ist vorhanden bei den Völkern schiedenster Art , bei rohesten wie bei den höchstgebildeten , nächst wohl nur ruhend , gewissermaaßen instinctiv , aber leicht gelangt sie zum Bewußtsein des Redenden , sobald sich ihm in einer andern Sprache der Gegensatz des Fremden zeigt . So erfreuen die Klänge der heimischen Sprache den in der Fremde Befindlichen , sie bringen ihm das Gefühl des Heimathlichen , sie klingen ihm , wie unser Dichter vom Memelfluß in seinem trefflichen Liede fingt , „ als ein Gruß " . So sehen wir an schiedenen Theilen der Erde die Deutschredenden sich vereinigen , das Gefühl politischer Zerspaltung wird durch die Ferne ben , und das mächtigste geistige Band zieht diejenigen men , welche zusammen gehören . Gleichfalls macht sich der gensatz der fremden Sprache geltend an den Grenzen der sprache , in gemischtem Gebiet . So ist dem Slawen und dem Magyaren die deutsche Sprache ein fremdes , ein feindliches Prin - cip ; so unterscheidet sich der Deutsche längs der westlichen und südlichen Sprachgrenze von dem Romanischredenden , den er in den Gebieten , die sie durchschneidet , als Wälschen bezeichnet .
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