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2)_Der_Aufenthalt_in_Neu-Spanien_und_die_Erarbeitung eines
wissenschaftlichen Mexiko-Bildes
Cbwohl Humboldt während seiner Amerika-Reise in den Jahren 1799
bis 1804 nirgends als Entdecker in geographischem Sinne unbe-
kanntes Land betrat, ist er zu Recht der Wiederentdecker Ameri-
kas genannt und als solcher sowohl von der internationalen Wis-
Ssenschaft als auch von den lateinamerikanischen Völkern gewür“-
digt worden? 1), Humboldts Absicht war es, in den bereits bekann-
ten Ländern wissenschaftliche Beobachtungen anzustellen. Er ver-
folgte dabei nicht das Ziel, besondere Eigentümlichkeiten zu
erforschen und darzustellen, sondern die gesetzmäßigen Zusammen-
hänge der Erscheinungen zu erkennen. Ihm ging es dabei besonders
um das Kausalitätsprinzip, Mittels exakter Beobachtungen und
wissenschaftlich begründeter Berichte wollte Humbolät ein mög-
lichst wahrheitsgetreues Bild des in allgemeinen Umrissen schon
Bekannten - der amerikanischen Wirklichkeit - erarbeiten. Das
wird anhand seiner Forschungsergebnisse gezeigt werden können,
Dieses Forschungsziel bedingte eine ausgesprochene Vielseitig-
keit der wissenschaftlichen Arbeit; ganz neue Wissenszweige und
Spezialforschungen entstanden und gipfelten in einer für die da-
malige Zeit bedeutend erweiterten Auffassung des Weltganzen —
im"Kosmos" (Humboldt, 1845-62),
In den vergangenen Jahrzehnten wurde von seiten verschiedener
Fachspezialisten, besonders von solchen positivistischer Grund-
haltung (vgl. Dove, 1881, 84) bedauernd festgestellt, daß ihre
Wissenschaft eine größere Förderung erfahren hätte, wenn Humboldt
51) "En el dictamen de Alamän hay dos juicios, dogmas de la hi-
storiografia mexicana, que suelen formularse asi: 1) Humboldt
es un redescubridor de Mexico; 2) Humboldt es uno de los au-
tores intelectuales de nuestra independencia” (Gonzälez, 1962,
201); vgl. Darwin nach May, 1901 b, 246; Bolivar, I, 820 f;
Vivien de Saint-Martin, 24”; Dove, 1925, 114; Wittich, 1954,
242; Cronau, II, 498; Monte”, 19; Ortega y Medina, 1960,
154; Kirchhoff, 89; u.8.).