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Mai.
Huben. Es sind die Gegenden, wo Obstbäume gezüchtet werden:
diese gehören bekanntlich alle zu den Rosazeen, blühen also
mit den Rosen. Die Kirschbäume und die Spillinge blühen
zuerst, wie die Heckenkirschen zuerst grünen, dann folgen die
Birnen und die Pflaumen, zuletzt kommt die schöne rötliche
Apfelblüte und die herrliche, rosenrote Blüte der Strauchäpfel.
Selbst in Japan wird Anfang Mai die Blüte des Mumebaums
begrüßt und das sogenannte Kirschenfest gefeiert.
Jede Pfingsten unternehmen Leipziger Arzte und Pro—
fessoren eine siebentägige Fußtour auf den Rennsteig von der
Saale bis zur Werra; in Neapel wallfahrtet man zu Pfingsten
nach dem Heiligtum der Madonna di Monte Vergine bei
Avellino, um sich dort oben einen Sichtenzweig zu brechen:
diese Reise, die auf einem Corricolo mit Sang und Klang, in
korubantischem Rausche zurückgelegt wird, dauert drei Tage,
sie wird im Heiratskontrakte stipuliert. Zurück geht's über
Nola und die Madonna dell' Arco am Suß des Monte Somma.
Die Geistlichkeit, die das Srühlingsfest ins Pfingstfest um—
wandelte, die Maifahrt entstellte und mit schwarzen Farben
malte, als ob die hexen auf den Blocksberg zögen, ist gegenüber
Bräuchen, die im Naturleben wurzeln, ganz ohnmächtig.
us dem Walde werden nun die Maien mitgebracht
und wie Trophäen in der hand getragen oder aufgesteckt und
um den Kopf gewunden — die Hauptfreude war von alters her
ein ganzer Baum. Eine Birke oder eine Fichte, die von zwanzig
Joch Ochsen in Prozession umhergefahren und im Dorfe auf⸗
gepflanzt ward. Man putzte sie an wie den Christbaum und
hing ihr ebenfalls allerhand gute Sachen an; dann sprang
und tanzte man um sie herum. Es gab mehrere Maibäume,
die Bauern setzten einen auf den Fronhof, die jungen Burschen
einen vor das haus, wo das schönste Mädchen wohnte: der
große Maibaum wurde von der Gemeinde eingeholt; er gehörte
dem ganzen Dorf. Er war ein Baum des Lebens und Gegen⸗
stand eines regelrechten Kultus. Denn die Würste und die