Die Fastenzeit.
J. Trauer der Kirche um ihren Brautigam.
Nahrungsverweigerung ist eine pathologische Erscheinung,
die von der Trauer ausgelöst wird, sogar bei Tieren. Wer mag
an Essen und Trinken denken, der sein Liebstes begraben hat? —
Die ganze Welt ist ihm vergällt, alle Bedürfnisse sind wie
suspendiert. Achilles ist nicht zur Annahme eines Bissens zu
bewegen, als Patroklus gefallen ist; Alexander der Große
nimmt zwei Tage lang nichts zu sich, da er Hephästion verloren
hat; apathisch hockt er an seinem Herde, schneidet sich das haar
ab und streut Asche auf sein Hhaupt. Das Bestreuen mit der
Herdasche, diese uralte Gebärde der Trauer, hat zunächst bloß
den Sinn, daß der betrübte Mensch nicht ausgeht, sondern
zu Hause bleibt.
Denn er kann sich überhaupt nicht entschließen, irgend
etwas zu unternehmen; der Trauernde braucht nicht nur keine
Nahrung, er ist auch gar nicht imstande, sich welche zu erwerben.
Er feiert und fastet also; die Trauer bringt die freiwillige Muße
und die Seiertage mit sich. In der Melancholie treten diese
sumptome auffällig hervor.
Es ist die ausschließliche Beschäftigung des Geistes mit
einem einzigen Gegenstand, was die totale Abstinenz des Leid⸗
tragenden mit sich bringt. Die leidenschaftliche Konzentration
der Gedanken auf einen Punkt muß den Menschen zur Selbst⸗
vergessenheit und zur Enthaltung führen; sie tut das auch
bei anderen Gelegenheiten. Man kann beobachten, daß ein
Denker über seinen Untersuchungen, ein Dichter über seinen