heute eine prosperierende Mittelklasse, die überwiegend im administrativen
Sektor arbeitet und die Supermärkte sind voll von importierten Waren. Die Uni-
an der Komoren hingegen blickt auf eine Geschichte zahlreicher Staatsstreiche
und politischer Unruhen zurück. Die Bewohner_innen beider Inseln teilen eine
3prachliche und kulturelle Identität und sind durch Verwandtschaftsbeziehun-
zen miteinander vernetzt. Heute jedoch ist die Grenze zwischen den beiden In-
zeln streng bewacht. Die Bewohner_innen Anjouans benötigen ein Visum, um
sich auf Mayotte aufzuhalten. Mayotte, auf das die Union der Komoren noch
immer nominell Anspruch erhebt, verfügt mittlerweile über ein neunmal höhe-
res Bruttoinlandsprodukt und ein elfmal höheres Durchschnittseinkommen als
seine Nachbarinsel. Viele Anjouanais versuchen deshalb in heimlichen Über-
lahrten auf kleinen Motorbooten, sogenannten Kwassas, auf das reiche Mayotte
zu gelangen. Etwa 1/3 der auf Mayotte lebenenden Bevölkerung stammt von den
comorischen Nachbarinseln und hat daher keinen französischen Pass (INSEE
2010, 34), doch sind diese Menschen dank ihrer Verwandtschaft und kulturellen
Nähe zu den Mahores auf den ersten Blick nicht als sogenannte illegale Einwan-
derer_innen auszumachen. Die französische Polizei führt in der Öffentlichkeit
Passkontrollen durch und schiebt pro Jahr mehr als 20.000 Menschen nach An-
jouan ab. Eine Politik der Zahlen, mit der die französische Regierung innerhalb
der EU ihr hartes Vorgehen gegen illegale Migration beweisen kann (Muenger
2011, 54f.). Viele der Abgeschobenen hingegen nehmen schon kurz darauf ein
Kwassa zurück nach Mayotte. Durch die Verschärfung der Grenzkontrollen ist
die Überfahrt sehr viel gefährlicher geworden. Die kleinen und oft vollkommen
iberfüllten Boote, die sich auf die 60 km lange Reise begeben, sind vor allem
Abb. 2: Der Kapitän eines Kwassas wird abgeführt, Filmstill: Steffen Köhn/Paola Calvo, 2011.