Stimmen; überraschend viele Studierende fühlten sich jedoch von der Stim-
menvielfalt im Ausstellungsraum gestört und forderten eine »klassische« oder
»normale« Repräsentationsform ein, die eine ruhige Kontemplation der Texte
und Bilder ermöglichen sollte. Abgesehen vom technischen Verbesserungs-
potenzial der Audioinstallationen verweist dieser Kritikpunkt vor allem auf
die okularzentrische Erwartungshaltung vieler Studierender, Im Gegensatz zu
Besucher_innen im südlichen Afrika, die aufgrund ihrer hohen Wertschätzung
des gesprochenen Wortes in Form von Oral History oder Praise Poetry (Vail/
Landeg 1991; Hoffmann 2012) möglicherweise leichter Zugang zur Polypho-
ıaie von What We See gefunden haben könnten, scheint der auf die visuelle
Aneignung hin ausgerichtete Rezeptionsmodus des »exhibitionary complex«
(Bennett 2006) nach wie vor den Habitus vieler (westlicher) Museumsbesu-
cher_innen zu prägen. Umso eindrücklicher konnten sich - dank What We
See - die Frauen und Männer aus Lichteneckers Archiv Gehör verschaffen.
Wie Hoffmann treffend formuliert: »One can shut the eves but not the ears«
(Hoffmann 2009b, 53).
What We See löst viele von Bennett postulierten postkolonialen Ausstel-
lungsqualitäten wie die »multiaccentuality of meaning that arises out of the
dialogic to-and-from, [and] the discursive give-and-take, that characterizes pro-
cesses of cross-cultural exchange« (Bennett 2006, 63) ein und ist weit davon ent-
fernt, »bescheiden« zu sein. Eine Qualität, die Bennett nach dem Ende »großer
Erzählungen« postmodernen Repräsentationspraktiken zuspricht. What We See
hat den politischen Anspruch, subalterne Stimmen hörbar zu machen, ohne sie
zu vereinnahmen oder zu bevormunden und nimmt den/die Besucher_in in
die Verantwortung, sich innerhalb des vielstimmigen Bedeutungsangebots zu
positionieren. Die Ausstellung zeigt, dass »Bedeutung (...) nur dann politisch
sein kann, wenn sie nicht so leicht festzuschreiben ist und sich nicht nur auf
eine einzige Quelle oder Autorität verlässt, sondern sie im Gegenteil entleert
oder dezentralisiert« (Minh-ha 1998, 315). Vielleicht ist diese Haltung genau
das, was ethnographische Museen zur endgültigen Überwindung der Krise der
Repräsentation benötigen.
Anmerkungen
Persönliches Gespräch mit Anette Hoffmann am 1.2.2012 in Kapstadt, Südafrika,
Siehe Anmerkung 1.
Bei meinem Besuch des South African Museum im Februar 2012 waren mehrere Dio-
ramen unterschiedlicher ethnischer Gruppen zu besichtigen. Aufgrund von Geldman-
gel, wie mir ein Mitarbeiter erklärte, waren zum Verfremdungseffekt zwar mehrere bis
zu A4-große Zettel auf den einzelnen Vitrinen angebracht worden, um über die heuti-
gen, oft vollkommen anderen Lebensweisen dieser Gruppen zu berichten, die Diora-
men selbst waren jedoch nicht abgebaut worden.
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