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Volltext: Objekt, Bild und Performance

Versionen einer sensiblen Sammlung 
Die Übersetzung der Tonaufnahmen ins Englische ist jedoch nicht der einzi- 
ge Eingriff, den Hoffmann in Lichteneckers Archiv vornahm. Mit Bedacht auf 
die Empfindungen möglicher Nachfahren oder Rechtsnachfolger_innen der 
vermessenen und aufgenommen Menschen bietet die Ausstellung mehrere 
Möglichkeiten der Annäherungen an diese »sensible Sammlung« (Lange 2011). 
»Sensibel« sind diesem von Anette Hoffmann, Margit Berner und Britta Lange 
ausgearbeiteten Verständnis nach nicht die Objekte selbst, sondern vielmehr 
der Sammlungskontext und der heutige Umgang mit den Objekten. Dement- 
sprechend versucht Hoffmann, Lichteneckers Forschungskontext kritisch zu 
tekonstruieren, ohne die damit verbundene Erniedrigung der namibischen 
SprecherInnen zu perpetuieren. So werden zwar jene (heute obsoleten) wis- 
senschaftlichen Diskurse und Vorstellungen der Phrenologie und des Sozi- 
aldarwinismus, die Lichtenecker bei seinen Forschungen möglicherweise an- 
ıeiteten, auf einer Einführungstafel erklärt und die Fotografien vom Prozess des 
Abgipsens gezeigt, dann aber mit Lichteneckers paternalistischen und rassisti- 
schen Tagebucheinträgen kontextualisiert. Die Abgüsse selbst sind jedoch dem 
(voyeuristischen) Blick des/der Besucher_in entzogen. »We do not believe that 
these masks and dismembered body parts can actually represent the people they 
were meant to represent« (Hoffmann 2009b, 36) erklärt Hoffmann in dem höchst 
selbstreflexiven Katalog zur Ausstellung. Sie weigert sich auch, die von Lich- 
tenecker genommenen Haarproben und Fotos von Nama-Frauen ohne Kopf- 
tuch auszustellen. In Gesprächen mit Nachfahr_innen der auf den Fotografien 
abgebildeten Menschen sei sie darauf hingewiesen worden, dass Nama-Frauen 
»lieber sterben würden«, als ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit bloß gestellt zu 
werden (persönliches Gespräch mit A. Hoffmann).! Für die Kulturwissenschaft- 
lerin stand es deshalb außer Frage, derartige Fotos in die Ausstellung aufzuneh- 
men (Hoffmann 2009a, 11). 
Im Gegenzug eröffnen zeitgenössische Reaktionen auf Lichteneckers 
Projekt neue Perspektiven auf diese sensible Sammlung. Videointerviews 
mit Bekannten und Verwandten der vermessenen Menschen erfüllen den 
Ausstellungsraum mit einer Kakophonie von Anekdoten und Erinnerun- 
gen. Einer Einladung der Kuratorin folgend und inspiriert von den histori- 
schen Tonaufnahmen und Fotografien, widmen sich vier Gemälde und eine 
Videoinstallation der südafrikanischen Künstler_innen Mustafa Maluka, Sanell 
Aggenbach, Lonwabo Kilani, Mduduzi Xakaza und Alfeus Mvula fünf Personen 
aus Lichteneckers Archiv. Im Dialog mit seinen Tagebucheinträgen, Fotogra- 
fien, den über Kopfhörer zugänglichen Phonogrammaufnahmen und den re- 
zenten Videointerviews stellen sie ein Bedeutungsangebot dar, das dem Pub- 
likum fünf selbstbewusste, oftmals zutiefst verstörte und verärgerte Menschen 
aäher bringt. 
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