Sanna Schondelmayer
keinen Unterschied zwischen sich und ih-
ren deutschen Spielgefährten.!!! Der Un-
terschied wurde ihr zum ersten mal so rich-
zig in der Türkei bewußt, wo die Familie ab
und zu ihren Urlaub verbrachte.
„(...) als Kind halt, wenn ich in der Türkei
war mit meinen Eltern — wenn ich da war
und das alles so anstrengend war - und so
fremd war. Klar hab ich durch meine El-
tern die Kultur und Sprache und so mitbe-
kommen, aber halt nicht so sehr wie das
Deutsche. Das war schon der überwiegen-
de Teil - und Türkei ist halt noch mal ein
Stück türkischer als Türken, die hier sind .“
„Ich hatte nie einen türkischen
Klassenkameraden“
Mit dem Wechsel auf das Gymnasium
trennten sich dann die Wege auch in
Deutschland. Ihre türkischen Spielgefähr-
ten gingen auf die Real- oder Hauptschule
and Filiz’ Umgang mit Türken beschränk-
te sich auf das Familienleben.
„Das hat sich dann auseinander entwickelt
als ich ins Gymnasium kam, weil dann wa-
ren da auf einmal gar keine türkischen Kin-
der mehr - nie - ich hatte nie einen türki-
schen Schulkameraden, Das gab’s nicht.
Also ich glaube die anderen Kinder haben
schon so das Klassische gemacht — die Eltern
waren da auch nicht so hinterher. Das war
eigentlich wurscht, ob die nach Hause kom-
men und Fern glotzen oder ihre Hausauf-
gaben machen - die haben sich einfach
nicht gekümmert. Es gibt halt Schulpflicht
in Deutschland und das ist 0.k., daß die in
die Schule gehen, aber die haben das ein-
fach nicht so geblickt, aber meine Genera-
tion sag ich mal, die haben immer noch so
den klassischen Weg gemacht: Hauptschu-
le und dann halt Ausbildung — Friseuse -
also ich kenne voll viele Friseusen und voll
viele KFZ-Mechaniker — und das ist dann
2in völlig anderer Weg — daß man mit de-
ren nichts Gemeinsames (...)“
Durch den Wechsel aufs Gymnasium
zrhielt Filiz eine Sonderstellung innerhalb
der türkischen Gemeinde, in der sich ihre
Eltern bewegten.'® Sie sah, daß sie im Ver-
gleich zu den anderen türkischen Kindern
etwas Außergewöhnliches machte. Diese
Erkenntnis prägt ihr Selbstbild und ihr Bild
von anderen Türken, die sie allgemein eher
als rückständig bezeichnet, bis heute. Doch
andererseits isolierte diese Sonderposition
Filiz in ihrer Jugend stärker als andere Mi-
grantenkinder aus ihrem Bekanntenkreis.
Sie gehörte nicht mehr dem Kreis der
„Gastarbeiterkinder“ an, wurde aber auch
am Gymnasium nicht sofort als ebenbürtig
anerkannt, denn sie sah anders aus und
kam aus einer anderen Wohngegend als
ihre deutschen Mitschüler, deren Eltern
durchweg der Mittel- oder Oberschicht
zuzuordnen waren. Filiz hat vor allem
während ihrer Jugend immer wieder die
Spannung zwischen türkischem Elternhaus
und ihrem deutschen Umfeld erlebt. „Ge-
rade Heidelberg — Akademikerstadt, ne, es
gibt nicht so viele Ausländer da. Also, ich
bin da schon aufgefallen.“
„Ich glaube, daß ich für sie eine
Fremde bin“
Diese von ihr so erfahrene Diskrepanz
zwischen verschiedenen Kulturen, das
wechselseitige Unverständnis und die Un-
vereinbarkeit der Ansprüche, Erwartungen
der deutschen und der türkischen Seite
ıahmen für Filiz immer größere Ausmaße
ın. In ihrer Familie fühlte sie sich zuneh-
mend unverstanden und fremd.
‚Nee ich glaube schon, daß ich für sie eine
Fremde bin und ich glaube es tut ihnen
auch ziemlich weh - und es gab auch super
viele Bereiche in meinem Leben, da konn-
te ich nicht mit ihnen drüber sprechen und
das haben sie auch gemerkt, also wollten
auch nicht mit mir darüber sprechen, weil
die nicht akzeptieren wollten, daß es so ist
- oder nicht wahrhaben wollten, daß ich -
bestes Beispiel - einen deutschen Freund
habe. Ich glaube schon, daß meine Mutter,
als ich noch da gewohnt habe, auch ge-