Alex
„Der Wandernde, der heute kommt und morgen bleibt“*
Integration von Mobilitätserfahrungen in die
biographische Erzählung
Von Sabine Imeri
Wenn man als Kind einer deutsch-griechi-
schen Familie in Kongo geboren wurde, in
Griechenland, Deutschland und Italien
aufgewachsen und dabei deutscher Staats-
bürger ist, wenn man den ‘Einbruch der
Globalisierung in das eigene Leben’® also
längst hinter sich hat - mit welchen kultu-
rellen Deutungen des eigenen Lebens ist
man dann im Raum unterwegs? Welche
Auswirkungen hat das Leben mit, inmitten
oder zwischen mehreren Orten und Kultu-
ren auf die kulturelle oder nationale Selbst-
verortung?
Alex ist der Lebensgefährte eines meiner
Freunde. Zum Zeitpunkt des Interviews
pendelte er zwischen Berlin und Hamburg,
heute lebt und arbeitet er ständig ın Ham-
burg.
Von einem Ort zum anderen
Alex wird 1967 in Kongo geboren. Der Va-
ter, deutscher Staatsbürger, arbeitet dort als
Kaufmann für Baumaschinen. Die Mutter,
Hausfrau, ist Griechin. Die Familie lebt,
zenauso wie einige Verwandte der Mutter,
ın einer griechischen commanity:
‚Und dann warn wir ‘ne große Gemeinde,
alle Verwandten. Ich hab’ Cousins und
Cousinen, die auch da geboren sind. Meine
Oma war da, Tanten, Onkels, Großtanten,
Großonkels.”
Alex erinnert sich nicht nur an traditio-
aelle griechisch-orthodoxe Feiern oder an
zriechische Geschäfte, sondern auch daran,
daß sein Vater stark in die Familie und die
Gemeinschaft integriert war und daß er Af-
rika liebte. Der Bürgerkrieg 1973 zwingt
sie, zunächst Kongo und dann Afrika zu
verlassen. Als der Vater eine Arbeitsstelle
in Griechenland findet, ziehen sie, wie die
meisten der griechischen Verwandten, nach
Athen. Der Vater, der eigentlich den Kon-
takt zur deutschen Verwandtschaft wenig
pflegt, besteht darauf, daß seine Kinder
hier die deutsche Sprache erlernen und eine
deutsche Schule besuchen. Damit in der
Familie deutsch gesprochen werden kann,
nimmt auch Alex’ Mutter Deutschunter-
richt, Der Kontakt zu anderen Deutschen,
die in Athen leben, bleibt oberflächlich.
‚Die haben dann irgendwo in einem Vier-
tel in Athen gewohnt, wo alle Deutschen
gewohnt haben. Die hatten eine deutsche
Kultur, die hatten nicht halb-halb Eltern,
lie hatten praktisch schon ein geordnetes
Leben und nicht - ich paßte ja da nicht
rein.“
Alex beschreibt hier rückblickend neben
3iner räumlichen, eine alltagskulturelle und
vermutlich auch soziale Distanz zwischen
sich, einem Kind aus einer binationalen Fa-
milie und „ deutschen Diplomatensöhnen
oder so was, die da in Griechenland zur
Schule gegangen sind.“ Außerhalb der
Schule beschränken sich seine Kontakte auf
Geschwister und andere Verwandte.
Zwei Jahre später — Alex ist acht Jahre
ılt — zieht die Familie nach Deutschland,
weil der Vater eine andere Arbeitsstelle an-
aimmt. Aus Alex’ heutiger Perspektive
‚war das wie ‘ne weitere Station meines
fr
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