Sabine Klein
Deutsche führen. Auf ihrer Insel kehren
sich die Vorzeichen um: während sie in
Deutschland ihr nationales Zugehörig-
keitsgefühl aufgrund ihrer Hautfarbe nicht
„biologisch“ belegen kann, macht sie ihre
Hautfarbe zum einzigen Zugehörigkeits-
merkmal auf ihrer Insel:
„An mein Bild paßt ja nur rein, was diese
Mischlingsfarbe hat, also sprich zwischen
schwarz und weiß. (...) Ihr seid da ausge-
schlossen sozusagen, deshalb sag’ ich Ja,
weil Ihr was anderes seid.“
Das Bild der Insel stellt so ihren Versuch
der Abgrenzung zu gängigen nationalen
[dentitäten genauso dar, wie es ihr erlebtes
Gefühl der Ausgrenzung in Deutschland
als Deutsche zum Ausdruck bringt. Denn
sigentlich möchte sie ihre Binationalität,
und damit hauptsächlich ihre Hautfarbe,
nicht als identitätsstiftendes Merkmal ge-
brauchen müssen, und auch von ihrem
Umfeld nicht darüber definiert werden.
„Ich fühle mich halt so wie ich bin, momen-
tan fühle ich mich deutsch (...). Ja, ich bin
deutsch. Ich bin nicht kenianisch, aber ich
bin doch so sehr integriert hier, in Deutsch-
land, daß ich wahrscheinlich dieses Gefühl
auch nicht mehr haben will zu überlegen,
ob es da nicht vielleicht noch eine Insel für
mich gibt, vielleicht ist das jetzt auch ein-
fach zu normal.“
Anmerkungen
‘Siehe zur „Begriffsgeschichte“ Oguntoye, Ka-
:harina, Eine afro-deutsche Geschichte. Zur Le-
venssituation von Afrikanern und Afro-Deut-
schen in Deutschland von 1884 bis 1950. Ber-
‚in 1997. Die Hrsg. belegen, daß die Begriffe
‚Mischling“ und „Mulatte“ einen diffamieren-
len Charakter aufweisen. Wenn sie hier den-
1och genannt werden, dann um dieses an Su-
sanne herangetragene Fremdbild plastisch zu
machen oder aber, sofern Susanne diese Be-
zeichnungen selbst verwendet.
"Da Menschen „afrikanisch-deutscher“ Her-
zunft sich z.T. selbst als „schwarze Deutsche“
bezeichnen (z.B. die „Initiative schwarzer
Deutscher e.V.“), behalte ich diese Bezeichnung
bei.
Siehe Oguntoye, Katharina u.a. (Hg.): Farbe
sekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spu-
ten ihrer Geschichte. Berlin 1986 S. 140.
Auch Begriffe wie „afro-deutsch“ etc. ästheti:
zieren eine „kulturelle Identität“, die für Kin-
der binationaler Herkunft kein Identifikations-
potential bieten müssen. Schließlich liegen die-
sen Neuschöpfungen die gleichen Strategien
zugrunde, die auch „eindeutige“ nationale
[(dentitäten etablieren. Vgl. hierzu: Peter Nie-
dermüller. „Der Mythos ‚Deutsch zu sein‘ -
Zum Verhältnis von Politik und Kultur.“ In:
Zündstoff doppelte Staatsbürgerschaft. Zu:
Veralltäglichung des Nationalen. (Hg.): Irene
Götz. Berliner Blätter. Ethnographische und
‚ethnologische Beiträge. Heft 21/2000. S. 47.
Vgl. hierzu das Portrait von Sanna Schondel-
nayer.
” Siehe hierzu z.B.: Ulrich Beck. In: „Was ist
Globalisierung ?“. Frankfurt/M. 1997. $. 131.
Über die „Ortspolygamie“ von „Identität“, als
„Ctwas neues, auf das man neugierig sein oder
werden kann, um dessen Welt(-Sicht) zu ent-
schlüsseln.“ Und dazu: Thomas Lackmann.
„Der Zwitter als letzter Schrei“, in : Der Tages-
spiegel vom 25. März 1998, über die Pressekon-
ferenz zur Reihe „Europa neu denken“ im
Haus der Kulturen der Welt, bei der, nach
Lackmann, „Hybriditäts-Vertretern „Verkit-
schung des Minderheiten-Patchworks“ vorge-
worfen wird, inspiriert von einer fortwährend
mit „Eau de Tolerance“ herumfächelnden
Mehrheitskultur, die „sich selbst nicht interes-
„Sant genug empfindet.“
1982 ändert der 1978 zum Präsidenten ausgeru-
fene Daniel arap Moi die Verfassung Kenias zu-
3zunsten eines Einparteienstaates seiner Partei
KANU. Auf Druck der Opposition kommt es
1992 zu ersten freien Wahlen, bei der die
KANU die Wahl gewinnt. Daniel arap Moi ist
noch heute Staatschef.
Die Ablehnung der eigenen Hautfarbe als häu-
fige Reaktion auf die Ausgrenzung von „außen“
‚beschreiben Oguntoye u.a. (a.a.O.) S. 140f.
Susannes Mann ist in Deutschland geboren, hat
aber einen jugoslawischen Paß, Bis auf seine El-
tern leben die weiteren Verwandten in Jugosla-
wien. In ihrer Konfession als serbisch-orthodo-
xe Christen haben sie Mitsprache bei der Erzie-
hung des Kindes. Ihrem Mann zuliebe hat sich
Susanne umtaufen lassen.