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Volltext: Bilder vom Eigenen und Fremden

Sabine Klein 
halt auf eine Treppe setzen und das fand 
ich so - wahrscheinlich eklig und da hat sie 
mir halt Zeitungspapier dahingelegt, damit 
ich mich da dahinsetzen konnte. 
(...) ich kannte nichts anderes eigentlich, 
wir waren mit dem zufrieden was wir hat- 
ten. Es gab keinen Fernseher, wir haben 
draußen gespielt, wir haben keine richtigen 
Schuhe, wir haben so Sandaletten gehabt, 
wir haben draußen mit den einheimischen 
Kindern, also ich fühlte mich nicht unbe- 
dingt anders, also 0.k., wenn ich mich ange- 
zuckt habe, sah ich schon, ich bin nicht 
schwarz. Aber das war für mich als Kind 
nicht so wichtig.“ 
Später in Deutschland ist es für sie sehr 
wohl von Bedeutung, welche Hautfarbe sie 
hat. Es ist nicht offene Fremdenfeindlich- 
zeit, mit der sie konfrontiert wird, sondern 
das Empfinden, nicht „dazuzugehören“, 
daß sich in alltäglichen Situationen ein- 
stellt: bei Fragen nach ihrer Herkunft, Aus- 
sagen wie: „da ist doch irgendwas Asiati- 
sches dabei“ oder direkten Ansprachen auf 
englisch. Während sich Susanne selbst als 
deutsch bezeichnet, wird sie durch ihre 
Hautfarbe von ihrer Umgebung nicht als 
Jeutsche wahrgenommen. 
Einerseits nimmt sich Susanne selbst als 
Deutsche wahr, während sie andererseits 
die erlebte Abgrenzung aufgreift, indem sie 
ihre Hautfarbe zum Hauptmerkmal einer 
‚Nichtzugehörigkeit“ macht. Es ist sie 
selbst, die im Verlauf des Interviews ihre 
nationalen Selbst- und Fremdbilder entlang 
ıhrer Hautfarbe definiert (und keine Zu- 
spitzung von mir), so daß in diesem Por- 
trait der Schwerpunkt auf dem daraus ent- 
stehenden Konflikt liegen wird. 
Daß ihre nationale Identität als Deut- 
sche konfliktbehaftet ist, war mir vor dem 
Interview nicht bewußt. Vielmehr ging ich 
von der Vorstellung aus, sie sei aufgrund 
ihres binationalen Hintergrundes in ihrer 
Selbstwahrnehmung nicht an eindeutig be- 
setzte nationale Identitätsbilder gebunden 
und hätte so einen „freieren“ Umgang mit 
lem Thema. Es erschien mir denkbar, daß 
sie sich nicht mehr entlang nationalstaatli- 
cher Grenzen identifizieren würde, sei es, 
daß sie sich anderer Kategorien wie „Afro- 
deutsche“ oder „schwarze Deutsche“ be- 
dient” oder sich gänzlich gegen Kategori- 
sierungen dieser Art wehren würde.” Doch 
Susanne sieht in einer Biographie wie ihrer 
nicht die Bestätigung für den häufig disku- 
üerten Bedeutungsverlust nationalstaatli- 
cher Homogenitätszuschreibungen”, son- 
dern erfährt in ihrem Alltag lediglich, daß 
sie, die ja Deutsche ist, nicht als „reine 
Deutsche“ angesehen wird. Diesen Fremd- 
zuschreibungen folgend, sieht sie sich als 
„nichts Halbes und nichts Ganzes“ und 
entsprechend als den Deutschen nicht ganz 
zugehörig. 
„Die hat uns schon deutsch 
gepuscht“ 
Anfang der 80er Jahre kommt es zu Unru- 
hen in Kenia”, in Folge derer Susannes E]- 
tern nach Deutschland gehen. In Berlin fin- 
det Susannes Mutter eine Arbeit als Kran- 
kenschwester, im gleichen Krankenhaus 
kann die Familie untergebracht werden. 
Susanne spricht kein Wort deutsch und 
muß zwei Schuljahre zurückgestuft wer- 
den, ihr Vater kann ohne Deutschkenntnis- 
se nur als Spülhilfe, „ Tellerwäscher sozusa- 
gen“, arbeiten. Da sie nur einen Koffer aus 
Kenia mitnehmen konnten, beginnt nun 
zine Zeit, in der Susannes Eltern „sehr viel 
arbeiten müssen“, um, wie Susanne es 
nennt, „mit den anderen Schritt halten zu 
können“. Es sind diese materiellen Unter- 
schiede zwischen Kenia und Deutschland, 
an die sie sich in diesem Zusammenhang 
erinnert: 
‚Wir haben halt so gelebt, wie die da drü- 
ben, wie die anderen, es gab nichts, kein 
Neid, keine Nichts — weißt Du — und hier 
in Deutschland fing es an, o.k. (betont): 
mußte ein Auto her, mußte dies und das 
her, um mit den anderen Schritt halten zu 
können, und, das gab es vorher nicht, das 
war uns nicht wichtig.“
	        
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