K. Reuschel.
nicht irreführen,. und ‘die Forschung. soll sich zunächst nur: auf: Denken
und Glauben, Sitte und Sage des Menschen ohne Kultur und unter der
Kultur. beziehen, „Was ausserdem herangezogen werden muss, kommt
nur in Betracht, soweit es dieses :Volksdenken, Volksglauben, Volkssagen,
Volksbrauch und Volkskunst, wenn das Wort gestattet ist, erklärt, Das
können auch sehr materielle Dinge sein‘... wie Tracht und Hausbau,
Möbel und Schnitzwerk, die Anfänge einer Kunstübung, Aber alles
dient nur der Erkenntnis jener geistigen Funktionen“ (S. 186). Diesen
Ausführungen wird man zustimmen müssen. Unbekümmert um Grenz-
streitigkeiten mit der Anthropologie, der Ethnologie und der Völker-
psychologie, deren Auffassung im Sinne Wundts sich mit..der von der
Volkskunde eng berührt, soll die Wissenschaft vorwärts schreiten und
sich Methoden wie Ergebnisse der Nachbarwissenschaften zunutze machen.
Auf andere beherzigenswerte: Darlegungen Dieterichs braucht hier nicht
eingegangen zu werden. KEine gute Übersicht über die Entwicklung volks-
kundlicher Studien in Deutschland gab im selben Jahre ROBERT PETscHhH!).
Gelegentlich. von Beurteilungen der Schrift Hoffmann-Krayers ist wieder-
holt die Frage erörtert worden, ob man von Naturgesetzen im Volksleben
reden dürfe. Die Anregung dazu ging übrigens nicht von Hoffmann-
Krayer, sondern von ALBERT HERMANN PosT!!) aus. Während Dieterich
a. a.. O0. S. 190 Anm. den Streit für zwecklos hält, weil man erst im
Laufe der Forschung werde erkennen lernen, wie die Gesetze des Volks-
lebens beschaffen sind, wendet sich Hoffmann-Krayer gegen Stracks
Kritik !?) und hebt im Gegensatze zu Post, wie schon in seiner Schrift,
ausdrücklich hervor, es sei unerlaubt, von einem naturgesetzlichen Ge-
schehen im Volksleben zu sprechen. Dabei wird betont,. dass die Er-
zeugnisse der Volksseele immer individuell entstanden sind und dass die
Volksseele nicht produziert, sondern . reproduziert... Weiter erklärt er, ‚bei
seinem Ausdruck „vulgus“ bleiben zu müssen, und es zeigt sich, dass er ihn
etwa so verstanden wissen will, wie wir oben bei Gelegenheit von Dieterichs
Vortrag vermuteten... Endlich sucht er vermeintliche Missverständnisse
Stracks in bezug auf den Begriff „stammheitliche Volkskunde“ zu beseitigen.
Strack antwortet sogleich!“). Auch er ist der Meinung, dass die Frage
nach den Naturgesetzen nicht wesentlich sei, lehnt es wenigstens hier wie
auch später noch'*) ab, auf sie einzugehen, grundsätzliche Verschiedenheit
herrsche dagegen zwischen seiner und Hoffmann-Krayers Ansicht. über
den. Ursprung der seelischen Erzeugnisse des Volkes. Er hält sie nicht
für individuell, sondern für Massenprodukte, Wenn die Volksseele nicht
produziere, nur reproduziere, so sei der Begriff Volksseele überflüssig.
„Gerade die Unmöglichkeit, die Entstehung gewisser Geisteserzeugnisse
auf die Initiative Einzelner. zurückzuführen, hat zur Bildung jenes Be-
deutsche Philologie. (Verhandlungen der 48. Versammlung deutscher Philologen
und Schulmänner in Hamburg 1905. Leipzig, Teubner 1905, S.' 100 01.) 10) In
dem Buche: Ergebnisse und: Fortschritte der germanistischen Wissenschaft im
Jetzten Vierteljahrhundert. Im Auftrage der Gesellschaft für deutsche Philologie
herausgegeben von Richard Bethge, Leipzig, Reisland, 1902. 11) Ethnologische
Gedanken. Globus 59, 289ff, 12) Naturgesetz im Volksleben? Hess. Bl. II
(1903), 57—64. 13) Der Einzelne und das Volk, ebda, 64—76. 14) Hess. Bl.
III (1904). 72. Hier und auf der folgenden Seite auch Erläuterungen des Be-
griffs Volksseele.