Allgemeine und französische Volkskunde. 1897—1909. Erster
Teil. Vorbemerkung. Als der Unterzeichnete vor einer Reihe von Jahren
den Auftrag erhielt, über die Fortschritte der französischen Volkskunde zu be-
richten, war er sich der Schwierigkeiten dieser Aufgabe nicht recht bewusst.
Inzwischen hat ihn die Erfahrung gelehrt, dass man in Deutschland die volks-
kundliche Literatur Frankreichs nicht annähernd vollständig kennen lernen
kann. Selbst die grössten Bibliotheken versagen ‚auf . diesem Gebiete
fortwährend, und da erfahrungsgemäss von ‚den Verlegern nur ein kleiner
Teil. der Neuerscheinungen zur Besprechung eingeliefert wird, so muss
ein derartiger Bericht sehr lückenhaft werden, Um die hervorragendsten
Zeitschriften .zu verfolgen, reicht beispielsweise die mit französischen Werken
gut versehene Dresdner Königliche Bibliothek nicht entfernt aus. Sie be-
sitzt die Romania erst seit kurzem, ohne dass die lange Reihe der früheren
Jahrgänge ergänzt worden wäre, und weder die Revue des traditions
populaires noch die Melusine ist vorhanden, Durch einen günstigen Um-
stand wurde dem Berichterstatter aber eine Erleichterung. Nur bis zum
Jahre 1896 hatte Dr. Friedrich S. Krauss sein Referat im Jahresbericht ge-
geben; eine Fortsetzung „Die Volkskunde in den Jahren 1897—1902“
kam, zu stattlichstem Umfange angeschwollen, in den Romanischen
Forschungen und dann als besonderes Buch heraus. In den Jahresbericht
selbst liess sie sich ihrer Ausführlichkeit wegen nicht einfügen, und so
machte sich eine Änderung. des ursprünglichen Auftrages notwendig. Es
sollte die französische Volkskunde in ihrer Beziehung auf die allgemeine
Entwicklung des Faches unter Rücksicht namentlich auf die Methoden
der Forschung geschildert werden. Für den Germanisten lagen die Ver-
hältnisse durch diese Verschiebung des Planes wesentlich bequemer, Kr
brauchte nur darauf bedacht: zu sein, in einer durch die Anlage des
Jahresberichtes bei einer Hilfswissenschaft gebotenen knappen Form die
Hauptergebnisse volkskundlicher Tätigkeit seit dem Jahre 1897 darzu-
stellen, und er durfte Gebiete, wie die wallonische, die rumänische, die
rätoromanische und die kanadische Volkskunde, die.von anderen Referenten