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wirung, worunter hier die Narbenverzierung zu verstehen ist, welche gerade die Waguha-
"rauen an ihrem Leibe anbringen. !) Sie tragen auch gewöhnlich die Narbenschneidemesser
im Haare. THoMmsoN schreibt: „Das Tättowieren ist ein anderer erwähnenswerther Theil ihrre
Toilette. In vielen Stämmen findet es wenig oder nur mangelhaft statt; nicht aber bei den
Waguha, besonders bei den Frauen; bei diesen ist das Tättowiren zu einem Zweige der
Kunst erhoben, macht einen wichtigen Theil des Schmuckes aus und nimmt beinabe die
Stelle der Kleidung ein. Der Unterleib ist der Körpertheil, welcher zu dieser Operation
‚usgewählt wird. Der ganze Bauch wird rings um den Nabel auf eine sehr künstliche und
symmetrische Weise mit erhabenen Flecken und Linien bedeckt, welche sehr hübsch
aussehen.” ?) .
Herr SıeL hatte in seiner Sammlung noch eine vierte Holzfigur mit der Angabe „Urua”
vertreten, die ich zur Ergänzung, obwohl sie strenggenommen nicht mehr ihrem Typus
ı1ach zu den Waguha-Figuren gehört, ebenfalls abbilde; Fig. 15—17. Die Füsse und
Jände sind nicht ausgebildet, wie im Allgemeinen die Figur nicht so kunstfertig wie die
ınderen durchgeführt ist, die meiste Sorgfalt wurde auf den Kopf verwendet, dessen oberer
Cheil bis zur Tiefe von 5cM. ausgehöhlt ist und daher als Gefäss zu betrachten sein dürfte.
Vom üblichen Haarschmuck ist nur das von Ohr zu Ohr gelegte Band angedeutet. Von
unten ist in die Figur ein 8 cM. tiefes Loch gebohrt, ebenso zeigt die Fussplatte eine
Jurchbohrung; wahrscheinlich wurde durch diese Löcher ein Pflock gesteckt. Die ganze
Länge beträgt 26 cM., der Durchmesser der Fussplatte 4.5 cM. , jener der Gefässmündung 4 cM.
. Die im Vorstehenden in. Wort und Bild dargestellten Erzeugnisse der Holzschnitzkunst
verrathen. eine hochentwickelte Technik und sind schon darum werth Gegenstand einer
eingehenden Untersuchung zu sein. Herr Lz0o V. FROoOBENIUS betrachtet die Schnitzwerke
der Warua, Wabudschwe und Waguha, bloss auf CAmzrox’s und THomsoxw’s Berichte
zestützt, als archaistische Formen, als Erzeugnisse einer alten Zeit;°) nach seiner Meinung
zehören sie zu den letzten Resten des Kulturstandpunkts vor der Muata-Jamvozeit. Ande-
verseits spiegeln diese Figuren, wie ich hoffe überzeugend dargethan zu haben, so getreu
ınd wahr die Haartracht und die Narbenverzierungen, wie sie mindestens zu THOMSON’S
Zeit noch üblich waren, wieder, auch kommen sie so vielfach nach den Berichten dieser
Reisenden vor, das wir keinen Anstand nehmen dürfen zu sagen, das wir es hier mit
Xäiner noch lebenden Kunst zu thun haben, die entweder in vollster Blüthe steht oder noch
mmerfort in Entwicklung begriffen ist. Ich habe die besprochenen Figuren, die bloss mit
ler Angabe „Urua, Manyema” versehen waren, den Waguha zugeschrieben, da dieser
Warua-Stamm *) nach den übereinstimmenden Nachrichten, die uns vorliegen, der Haupt-
v‚räger der in diesen Figuren zum Ausdruck kommenden Haartracht und Narbenverzierung
') CAMERON, Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, Vol. VI, 1877, p 169
°) THoMmsoNn, a. a. O. II., 112—118 (II. 84). Vgl. auch Proceedings of the Royal Geographical Society,
1880, 8. 785. ;
3) Lzo V. FrRoBENIUS, „Die Keramik und ihre Stellung zur Holzschnitzerei im südlichen Kongobecken”,
‚m Internationalen Archiv für Ethnographie, Bd. VII (1894), S. 27.
*) „The Waguhha, which are simply a branch of the great nation of the Warua.” CAMERON, Journal of
she Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, Vol. VI, 1877, p. 169. Anmerkungsweise möchte
ich noch darauf aufmerksam machen, dass zwischen den oberen und den unteren Klassen der Bevölkerung
3äin Unterschied gemacht werden muss, wenigstens bei einigen Stämmen, so z. B. bei den Wabudschwe,
deren obere Klassen in Sitte und Tracht den Waguha und Warua gleichen, deren untere Klassen aber,
welche CAMERON für die Ureinwohner hält, sich wesentlich in Gesichtszügen und Tracht von den anderen
unterscheiden. Vgl. CAMERON, Across Africa, I. 335 (I. 289). Vielleicht erklären sich daraus manche Aehn-
ichkeiten zwischen den Monbuttu und Sandeh einerseits und den Waruastämmen andererseits.