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Erster Abschnitt: Gewerbe.
angeknüpft oder angebunden zu werden, entnommen: das
angelsächsische streng, altnord. strengr bedeutet auch Segel-
tau und Bogensehne und geht auf die Vorstellung des Ge-
spannten zurück, und das althochd. seita, das fides und
chorda glossiert, ist nur Nebenform des ahd. seito, angel-
sächs. säda Strick, und hängt wurzelhaft mit ser-l, und dem
angels. si-ma, altsächs. si-mo Strick, zusammen, mit der
Urbedeutung des Gebundenen, Angeknüpften. Eine einheit-
liche Mensur dürfen wir bei diesen anspruchslosen Instru-
menten nicht voraussetzen, ihr Bau geschieht wohl ganz
willkürlich, und Maß und Stimmung der Saiten ist völlig
dem Verfertiger und Spieler anheimgestellt; auch ihre Zahl
ist ungleich, und wenn in der angelsächsischen, metrischen
Bearbeitung der Psalmen von einer Harfe, mit zehn Saiten,
bezogen, geredet wird, so ist das nur Übersetzung des lat.
decachordum %). Diese musikalische Unvollkommenheit
wird eine elegante Form des Holzgestelles nicht gehindert
haben, die man namentlich durch geschnitzte Zierate be-
wirkte. Als von den späteren merowingischen Zeiten ab
teils durch die romanischen Spielleute (S. 102ff.), teils durch
die Kirche zu dem bisher einzig nationalen Saitenspiele
eine ganze Reihe anderer ins Land kamen und in spiel-
männischen und kirchlichen Kreisen gepflegt wurden, als
zu den Schlaginstrumenten dieser Art vom Orient her auch
die Streichinstrumente sich verbreiteten, da trat die
Harfe wohl in der allgemeinen Verwendung zurück, und
wurde, unähnlich andern Tongeräten, besonders als kirch-
liches Instrument nicht verwendet, erhielt sich aber
in Spielmanns- und höfischen Kreisen in verschiedener
größerer und kleinerer Art, ohne eine technisch ausgebildetere
Form zu erlangen. Auch die neu eingeführten Saiteninstru-
mente scheinen zunächst nicht auf gewerbsmäßigem Wege,
sondern nach Bedürfnis in freier Tätigkeit, und von den
Spielern selbst, hergestellt worden zu sein. Daß und wie
früh hier ein förmliches Kunsthandwerk entsteht, darüber
kann vielleicht die Verbreitung der Laute einen Fingerzeig
%) him swynsad oft mit tyn strengum getogen hearpe, in psalterium
decachordo psallam tibi Psalm 143, 10.