384 III. Zur ästhetischen Kulturpolitik
sind. Unb in diesem Gedanken ist zugleich der höchste
pädagogische Wert echter Volksmusik ausgesprochen.
Wenn die Liebe am eigensten Besitz schon die bloße
Phrase des Jauchzens als ein Symbol der Heimat
und als unerschöpflich schön erscheinen läßt, wie viel
mehr muß dies noch von dem ausgeführten Lied und
der Tanzweise einer Gegend gelten? Musikalisch sind
diese Dinge ja oft von sehr geringem Werte, dennoch
aber freuen wir uns solcher Musik, weil sie uns
gesund dünkt. Was heißt hier gesund? Man sagt
wohl: was wahr und echt ist. Aber was ist hier
wahr und echt? Ein Lied, dessen Form und Ge
danke, im Volke selbst erwachsen, nichts anderes aus
spricht als was diese Volksgruppe selber fühlt, be
greift und auszusprechen sich berufen und gedrungen
fühlt, solch ein eigenes Lied ist allemal auch ein
gesundes und wahres Volkslied. Es kann darum
ästhetisch arm, geringhaltig, inkorrekt sein, aber es
ist doch gesund und wahr. Denn es gibt allerdings
schlechte gesunde Musik, aber freilich nicht umgekehrt
gute ungesunde. Man spricht von unverdauter
Musik, die vielerlei Volk gedankenlos weitersinge.
Der Ausdruck trifft; denn solche musikalische Formen
und Gedanken, die dem Organismus einer Volks
gruppe fremdartig, von außen ihm eingedrängt worden,
unverdaute und unverdauliche Stoffe, sind allerdings,
wie jeder Doktor weiß, höchst ungesund. Wenn die
Tanzmusik auf einer Bauernkirmeß mit verminderten
Septimenakkorden und sentimentalen Terzenvorhalten
kokettiert, so ist dies ganz ebenso widerlich, wie