Samuel Amsler
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Denn obgleich Amsler nie nach altdeutschen Bildern
gestochen, so wäre er doch nicht so ganz ein Mann
der Corneliusschen Schule gewesen, wenn altdeutsche
Kunst und Art nicht befruchtend aus ihn gewirkt hätte.
Dürer und Marc Anton wiesen ihm den Weg aus
dem Labyrinthe der früheren malerischen Effektmanier,
und gerade die Blätter aus Amslers römischen
Wanderjahren zeigen zumeist, wie treu er dem
schlichten altdeutschen Meister mitten unter den glän
zenden Wunderwerken Italiens angehangen. Genre
bilder und naturalistische Kompositionen kamen nicht
an die Wände der Zimmer unseres Künstlers, und
trotz alles angestammten Familiengeistes mußten selbst
historische Familienporträte, wofern sie mittelmäßig
gemalt waren, im Winkel stehen. Dienstboten, die
sich durch ein stark verzeichnetes Gesicht oder sonst
augenfällige Häßlichkeit auszeichneten, wurden nicht
im Hause geduldet: — und so ging die Idiosynkrasie
gegen alles Inkorrekte und Unreine fort bis hinab
zu einer fast peinlichen Reinlichkeitsliebe im Essen und
Trinken und allem, was ihn umgab. Wer das un
ablässige, bis zum Äußersten gewissenhafte Ringen
des Künstlers nach Korrektheit der Form und durch
sichtiger Reinheit der Technik in seinen sämtlichen
Blättern verfolgt, der begreift diesen Charakter des
Privatmannes als einen fast notwendigen. Denn
Reinheit in der Kunst, Reinigkeit im sittlichen und
Reinlichkeit im leiblichen Leben sind Geschwisterkinder,
und wo eine von den dreien ausbleibt, da werden
sich gar selten die beiden anderen einstellen.