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I. Historisches Stillleben
künftigen Kupferstechers, die Ornamentierung eines
Kachelofens führte den Knaben zu den ersten plastischen
Studien, der später durch seine Vorliebe für Skulptur
werke vor allen Fachgenosfen sich auszeichnen sollte,
und bei dem Musterzeichner einer Kattunfabrik mußte
der künftige Künstler sich die ersten Muster und Unter
weisungen der Schule suchen. Und doch ist eine be
schränkte Jugend oft der größte Segen für das echte
Talent, und ein Knabe, der einmal zum Baumeister-
geboren ist, wird sich dessen vielleicht entschiedener be
wußt, wenn er immer und immer wieder den Bau
einer rechtschaffenen Bauernhütte studiert, als wenn
sogleich alle Tempel Roms und Griechenlands vor
ihm ausgebreitet lägen.
Der Vater hielt die bildende Kunst für eine brot
lose und trieb die Neigung des Sohnes zurück, so
lange es gehen wollte; erst als er sah, daß dem drän
genden Berus kein Einhalt mehr zu gebieten sei, ging
er nach Zürich, „um seinen Jungen bei einem Stech
meister aufzudingen". Hier konnte derselbe zunächst
wohl nur das trockene Handwerk lernen, wie auch
seine spätere Schule bei Heinrich Lips und dann an
der Münchener Akademie bei Langer und dem Kupfer
stecher Heß trotz aller Gediegenheit seinen eigentlichen
Genius nicht zu wecken vermochte. Amsler sollte lang
sam und mühselig seinen Weg suchen, sonst wäre er
aber auch bei seinem frühreifen Talent schwerlich ein
Kupferstecher und gewiß nicht ein so strenger und
ernster Kupferstecher geworden.
Obgleich nun aber der junge Amsler keine andere