230 B. Referate. 2. Ethnologie und Rassenkunde.
238. Friedmann: Üfoer die Beziehungen der pathologischen
Wahnbildung zu der Entwicklung der Erkenntnisprin
zipien, insbesondere bei Naturvölkern. Zeitschrift für
Psychiatrie etc. 1895. Bd. 52, S. 393.
Mit zu den schwierigsten Aufgaben der theoretischen Irrenheilkunde
gehört die Frage nach dem Ursprünge der „Wahnbildung. Nun hat Verf.
in vorliegender Arbeit es unternommen, auf höchst geistreiche und ein
gehende Weise auf die Ähnlichkeit des Wahns der Verrückten mit den
primitiven Formen des Denkens hinzuweisen, also die Völkerpsychologie
heranzuziehen, und es lässt sich nicht leugnen, dass die Darlegung eine
sehr bestechende ist. Natürlich verkennt Verf. dabei nicht, dass es sich
beim pathologischen Wahn vorwiegend um einen krankhaften Zustand
handelt. Vom primitiven Zustande der Menschheit sind noch im heutigen
Denken viele Überbleibsel da. So hängt ,,die subjektive Wahrheit von der
richtigen Ausführung des logischen Verfahrens“ nicht ab, ferner sind auch
heute die Trennung von Wahrheit und Idee nicht streng durchgeführt,
und endlich gewährt das Vorurteil noch grössere Ähnlichkeit mit dem
Wahne. Sodann werden die ,,logischen Denkgewohnheiten“ der Natur-
und Kulturvölker übersichtlich dargestellt. „Auf primitiver Stufe bemerkt
der Intellekt überhaupt allein den Widerspruch bei einfachen sinnfälligen
Thatsachen. ... In jeder gröbsten theoretischen Idee dagegen ist der
eine Analogieschluss so nahe wie der andere. . . . Auf jeder Kulturstufe
wird die Wahrheit gesucht.“ Doch gab es nie eine inhaltlich gleichartige
subjektive Wahrheit oder einheitliche Methode der Erkenntnis. Dennoch
haben stets 2 Gattungen von Wahrheiten nebeneinander bestanden: „die
Idee ohne logische Begründung . . . und die nach herrschender Denk
gewohnheit vorsichtig gefundene Wahrheit“. Kein Erkenntnisprinzip ward
so oft verletzt, wie das kausale Gesetz. „Logische Wahrheit und Ab
surdität an sich ist nie direkt erkannt worden, aber natürlich hat jedes
Volk allgemein anerkannte und ebensolche unglaubhafte Denkresultate.“
Die eindrucksvolle Idee packt suggerierend am meisten die Autorität. Man
kann eine aktive und passive Suggestibilität unterscheiden, letztere ist be
sonders die hysterische, erstere zeigt sich besonders in der paranoischen
Veranlagung, wodurch „die Affekt- und Erregtheitsvorstellung zur dauernd
überwertigen, d. h. zur fixen Idee wird“.
Dr. P. Näcke- Hubertusburg.
239. Närodopisnä yystaya ceskosloyanskä y Praze, 1895 (Die
cechoslavische ethnographische Ausstellung in Prag, 1895). Prag,
Verlag von J. Otto.
Noch vor Schluss der ethnographischen Ausstellung in Prag (Oktober
1895) begann unter Redaktion der Herren Maler K. Klusacek, Univ.-Dozent
Dr. E. Kovar, Univ.-Dozent Dr. L. Niederle, Architekt Fr. Schlaffer, und