21. Aug. 1888.] Aufbruch zur dritten Reise nach dem Njausa. 11
Welche aus bitterer Erfahrung wissen, was Hungern heißt. Ebenso
lebhaft, wie Worte die Schilderung der glücklichen Region ausmalten,
war auch die freudige Aufmerksamkeit der armen ausgemergelten Ge
schöpfe, deren Züge ein ungesundes anämisches Aussehen zeigten. Ihnen
schien das Land ein Eden zu sein, gefüllt mit allerlei angenehmen
Dingen, Ueberfluß an Lebensmitteln, Getreide und Fleisch zur Stär
kung, Milch und Hirse zur Nahrung. Die Erzähler schenkten den
elenden Monaten, welche man auszuhalten hatte, ehe man das Eden
erreichen konnte, nur geringe Beachtung, und ebenso wenig lag den
eifrigen Zuhörern daran, die Beschreibungen zu sichten. Ihre Phan
tasie war von den glänzenden Scenen so angeregt, daß die düstere
Wirklichkeit, welche ertragen werden mußte, um jene zu erreichen, voll
ständig verdunkelt wurde. Ich hörte dem ungekünstelten Schwatzen
dieser großen Kinder zu, nahn: theil an ihrem Enthusiasmus und
bedauerte sie von ganzem Herzen. „Jnschallah", sagten die Burschen
vom Njansa in feuriger Erregung, „wir werden wieder Fleisch speisen
und ihr werdet dann über, die Zeit lachen, als ihr euch von Maniok
wurzeln und Gemüse nährtet."
Konntss man einen Zweifel hegen, daß diese verführerischen Ge
bilde die Kranken von Banalja von den irreleitenden Gedanken an
Desertion ablenken würden? Milch und Honig, Fleisch und Hirse,
Gehalt und Belohnungen hatten eine größere Anziehungskraft, als die
getrockneten Fische der Stanley-Fälle, der Stock eines arabischen Herrn
und eine zweifelhafte Zukunft.
Die Wolke, welche den Geist der Leute von der Nachhut nieder
gedrückt hatte, stand jetzt im Begriff zu verschwinden. Vorher war es
aber nothwendig, alle aus der unmittelbaren Nachbarschaft von Ba
nalja, dem Schauplatz der Tragödie und der Pflegstätte bösartiger
Störungen und des Unheils, zu entfernen. Die am 17. August mit
der Nachricht von unserer Ankunft an Tippn-Tib gesandten Boten
mußten ihn am 24. August erreicht haben. Ich hatte Tippu-Tib mit
getheilt, daß ich zehn Tage auf ihn warten würde, und sogar diese
Zeit wurde von den ungeduldigen Njansa-Leuten, die zornig von sei
nem berechnenden Zaudern gehört hatten, mit Unwillen aufgenommen.
Allein diese Zögerung war nothwendig, nicht nur um Tippu-Tib noch
mals eine Gelegenheit zu bieten, sondern auch um Herrn Jameson,
der an den Stanley-Fällen sein sollte, in den Stand zu setzen, sich
uns anzuschließen. Ferner brauchten wir auch Zeit, um die Expedition
zu reorganisiren und die Waaren neu zu verpacken, die durch das Ver-