vanz anthropologischer Fragestellungen für die Sozialisationstheo-
rie ein und verweist dabei sowohl auf die biologische als auch die
ethnologische Anthropologie. Im Mittelpunkt steht der Kompe-
tenzbegriff: Kompetenz im Sinne von „Dispositionen, Bedürfnis-
sen, Fähigkeiten zur Stillung von Bedürfnissen und daraus entwik-
kelbaren Fertigkeiten; das heißt von anthropologischen (evolutio-
nären) Vorgaben und ihrer Verwirklichung durch Lernangebote“‘
(Lepenies 1971, 29). Auf den Kulturbegriff übertragen heißt das,
daß der Mensch als biologisches Wesen Bedürfnisse und zur Stil-
lung dieser Bedürfnisse auch Vorgaben oder Dispositionen hat,
wozu insbesondere die Kulturfähigkeit gehört: die Fähigkeit zur
Entwicklung von Mitteln und Werkzeugen im materiellen und
immateriellen Sinn. Er entwickelt diese Kultur einerseits experi-
mentell, das heißt durch Versuch und Irrtum, zum andern wird sie
ihm durch gesellschaftliche Vermittlung zuteil. Beides sind Lern-
vorgänge. Damit ist aber der in eine gegebene Sozietät hineingebo-
rene Mensch sowohl nicht mehr nur auf sich angewiesen, seine
Kompetenzen zu entwickeln, als auch nicht mehr »frei*, diese
Kompetenzen zu entfalten, da seine gegebene Kultur ihm die Art
der Bedürfnisbefriedigung weitgehend vorschreibt. Bedürfnisbe-
friedigung ist historisch und somit kulturspezifisch. Und nicht nur
dies, auch die Bedürfnisse selbst sind historische. Lepenies beruft
sich auf den Begriff der Bedürfnisproduktion in der Deutschen
Ideologie von Marx und Engels, wonach die Erzeugung der Mittel
zur Befriedigung der Bedürfnisse nicht von der Erzeugung neuer
Bedürfnisse zu trennen sei (Lepenies-Nolte 1972). Die kultur-
schópferische Leistung des Menschen kónnte somit auch als eine
bedürfnisproduzierende Leistung gesehen werden. Das schliefit
auch den negativen Aspekt der , Kulturindustrie" ein. Dieser
Aspekt betrifft nicht nur eine Bedarfsweckung, die aufgrund des
sozio-ôkonomischen Ungleichgewichts ungleiche Befriedigung
findet und in heterogenen Gesellschaften zugleich zu einem Kampf
um die kulturellen Ressourcen führt (Gans 1974, 3), sondern auch
— bei der Annahme einer kulturschôpferischen Disposition des
Menschen - die totale Beschneidung der Möglichkeit, diese Dis-
position zur Kompetenz mit Handlungsrelevanz zu entwickeln.