sozialer Schranken möglich ist. Die „Konstruktion zum Leben“
(Redfield 1966, 337) als Totalität des Lebensvollzugs mit einem
„von allen geteilten Verständnis in bezug auf den ... Sinn des
Lebens‘ wäre dann nicht mehr wie bei Redfields Folk-Gesellschaft
(vgl. S. 167f.) das Resultat einer weitgehend isolierten, eigentradi-
tions-abhingigen Gruppe, die diesen Sinn unreflektiert als gege-
ben hinnimmt, sondern eine Konstruktion, die bewußt aus
alternativen Angeboten auswählt, um aus ihnen einen neuen Stil
zu gestalten.
Sicher wäre diese neue Alltagswelt eine Collage als „der syste-
matischen Ausbeutung des zufällig und künstlich provozierten Zu-
sammentreffens von zwei oder mehreren wesensfremden Realitä-
ten auf einer augenscheinlich dazu ungeeigneten Ebene‘“, wie Mar-
tin in dem Kapitel ,,Das Leben als Collage'* (Martin 1973, 59ff.)
seines Buchs „Fest und Alltag“ kritisch und skeptisch eine Defini-
tion von Max Ernst zitiert. Aber: die Ebene ist nur ,,augenschein-
lich‘“ ungeeignet und die definitorische Ergánzung von dem ,,Fun-
ken Poesie, welcher bei der Annäherung dieser Realitäten über-
springt"', führt eben genau zu der Forderung Lefébvres nach einem
neuen Alltagsstil, in dem „die Prosa der Welt sich nicht von der
Poesie trennen läßt‘ (Lefebvre 1972, 47) oder, weniger poetisch
ausgedrückt, die schópferische Aneignung von Umwelt — auch als
irrationale, nicht in produktive Leistung für die Leistungsgesell-
schaft umsetzbare — wieder ihr Recht erhált: ,, Wenn der Mensch
zunichst im Fest wieder homo creator sein kónnte, sinnvolle festli-
che Collagen gestalten, indem er die Objekte der Vergangenheit
und Gegenwart manipuliert und nicht von ihnen, den ‚echten und
einmaligen‘, manipuliert wird, wäre ein wesentlicher Schritt getan,
der aus dem Konsumzwang unserer Gesellschaft herausführt“
(Greverus 1977 a, 8). Diese Feste dürften nicht mehr nur vorüber-
gehender Auszug aus dem Alltag sein, sondern Ansätze zu einem
neuen Bewußtsein der Gestaltungsmöglichkeit von Alltagswelten
und Lebensräumen. Nicht nur die Versuche jugendlicher Gegen-
kulturen, sondern auch diejenigen von Bürgerinitiativen, die
Stadtteilfeste zu einem Forum für Selbstdarstellung und neue
Kommunikationsformen machen, zeigen diese Alternativen.