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DIE DEUTSCHEN
LANDSCHAFTEN UND DAS
VOLKSLIED.
ann der Wanderer, dem Sinn für die Äuße-
rungen des Volkstums eigen ist, von den
Alpenbergen, wo er sich an den Schnader-
hüpfeln der Sennen und Sennerinnen er-
freut hat, hinabsteigt in die gesegneten Gegenden
deutschen Mittelgebirgslandes und Flachbodens, wo
das wogende Getreide in goldenen Halmen steht, da
kann er an schónen Sommerabenden Burschen und
Mädchen in langen Reihen die Straßen der Dörfer
dahinziehen sehen. Auch da mögen ihm Vierzeiler
entgegentönen, aber sie treten zurück hinter längeren
Liedern, häufig erzählenden Inhalts, die etwas mehr
von der Kultur beeinflußt erscheinen und deren weiche
Melodien sich in sein Ohr schmeicheln. Und wenn
er aufmerksam beobachtet, so findet er, daß die Ge-
sänge weit seltener das eigenartige Gepräge der Mundart
tragen. Mit dem Charakter der Bevölkerung wechselt
auch ihr Lied. Folgen wir ihm im Geiste auf einer
Wanderung durch die deutschen Gaue und suchen
wir den Zusammenhang zwischen Volkslied und
Stammescharakter zu ermitteln! Es ist ein gewagtes
Unternehmen, den Vergleich bis ins einzelne durch-
zuführen. Denn wir kennen noch immer nicht genug
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