/) Technik in der Volkskunde
Technikbegriff kónnte dazu beitragen, die von Scharfe vorgetragene
Modernekritik weiter zu differenzieren, ohne daft Technik dabei letztlich
wieder in Opposition zu der untersuchten (Alltags-)Kultur gerät.
Gudrun Silberzahn-Jandt: Wasch-Maschine
Silberzahn-Jandt vermeidet in ihrer — als Magisterarbeit am Ludwig-Uh-
land-Institut in Tübingen vorgelegten — Studie zur , Wasch-Maschine* die
Annahme einer solch eindimensionalen Beziehung zwischen Technik und
Kultur. Die Technisierung des Waschens ist für sie Ursache und Folge einer
seit den 50er Jahren veránderten Bekleidungskultur.'* Mit diesem Konzept
folgt sie weitgehend dem Techniksoziologen Ingo Braun, der die Waschma-
schine als ,,Kulturmaschine* versteht, die als technische Basis der Entfal-
tung einer rationalen Bekleidungskultur dient und damit die Entwicklung
mitprágt. Allerdings wird die Fragerichtung umgedreht: Während Braun
nach den sozialen Akteuren, Institutionen und Regelungen fragt, „die dazu
beitragen, die Selbstverständlichkeit und Problemlosigkeit der Waschma-
schinennutzung herzustellen und zu erhalten“ ,!® stellt Silberzahn-Jandt die
Frage, wie „Hausfrauen sich die Technik zu eigen machen, wie sie Technik
erlebten und einschätzten“,'® ein Problembereich, der in der gängigen
Techniksoziologie weitgehend vernachlässigt werde. Betrachtet Braun un-
ter herrschaftssoziologischer Perspektive den » Lechnisierungsverlauf Wa-
schen“, so skizziert Silberzahn-Jandt diesen komplexen Prozeß unter einem
auf die Akteurinnen gerichteten Blickwinkel, indem sie nicht nur Verände-
rungen der Hygienestandards beschreibt, sondern auch z.B. Veränderun-
gen im häuslichen Arbeitszeitrhythmus, des Arbeitsortes (von der Wasch-
küche in die Etagenwohnung) und diese Veränderungen in generellere Ent-
wicklungen wie die Entkörperlichung der Arbeit, deren veränderte Bewer-
tung oder den sich wandelnden Charakter der Familie einordnet.
Der zentralen Frage, welche Erfahrungen Frauen mit der neuen Wasch-
technik machen, geht sie dabei in mehreren Interviews nach, wobei sie ins-
158 Silberzahn-Jandt, Gudrun: Wasch-Maschine. Zum Wandel von Frauenarbeit ım Haus-
halt. Marburg 1991, Jonas Verlag. ;
159 Braun, Ingo: Stoff - Wechsel - Technik. Zur Soziologie und Okologie der Waschma-
schinen. Berlin 1988, edition sigma, S. 7. In einem gemeinsam mit Bernward Joerges ver-
fafiten Beitrag (Waschen — Heizen - Verkehren. Ausgewählte häusliche Technisierungs-
verläufe im Vergleich. In: Biervert, Bernd, Kurt Monse (Hg.): Wandel durch Technik?
Institution, Organisation, Alltag. Opladen 1990, Westdeutscher Verlag, S. 181—197)
wird dieser ,artefaktzentrierte Ansatz“ präzisiert, in dem die „Einlagerung von Geräte-
technik in Alltagskontexte und [der] entsprechende Aufbau technischer Handlungs-
und Kompetenzstrukturen* (ebd., 195) in ihren Auswirkungen auf die Differenzierung
von Lebensstilen verfolgt wird. Für diesen Zusammenhang prágen Braun/Joerges den
Begriff »technikbedingte »Perturbationen« der kulturellen Sphäre“; vgl. zu diesem An-
satz unten, Teil II.
160 Silberzahn-Jandt, Wasch-Maschine, S. 12.