L60 Anmerkungen zur Sachkulturforschung
Akteursperspektive erfordern demgegenüber ein Konzept des Kontextes,
das neben der Bedeutungsdimension auch die — materielle — Handlungsdi-
mension im Umgang mit Sachen thematisieren kann. Um diese beiden,
miteinander verbundenen und aufeinander bezogenen, jedoch nicht dek-
kungsgleichen Dimensionen analytisch trennen zu können, wird vorge-
schlagen, eine Differenzierung zwischen „syntaktischen bzw. semantischen
Ko-Texten “ und , pragmatischen Kon-Texten “ in Handlungssituationen
vorzunehmen. Diese Unterscheidung, die der Kommunikationstheorie
Hans-Peter Krügers entstammt, wird hier modifiziert aufgenommen: Ko-
Text wird verwendet, um auf die »Bedeutungsdimension“ von Technik zu
verweisen, der Begriff Kon-Text zielt dagegen auf die Handlungsdimen-
sion im Umgang mit Technik.
Zentral für das Verständnis dieser beiden Kategorien ist dabei, daß sie
auf die Bedingungen moderner Gesellschaften zugeschnitten sind, die sich
durch eine erweiterte Ko- bzw. Kon-Text-Bildung auszeichnen. Statt von
einem „face-to-face“-Paradigma und geringem Institutionalisierungsgrad
auszugehen, wie dies etwa im Kontext-Begriff der Folklore Studies üblich
ist, bezieht Krüger in seinem Modell die Auswirkungen gesellschaftlicher
Diskurse bzw. der medialen Vermittlung der Ko-Texte ebenso ein wie In-
stitutionalisierungsprozesse, mit denen Handlungsoptionen der Akteure —
die ihre Handlungen orientierenden Kon-Texte — eingeschränkt werden.!?
In diesem Sinne kann der Umgang mit Technik als ko-textuell und kon-
textuell gebunden verstanden werden, wobei sich die diskursive Bindung
oder die Vorgabe von Handlungsoptionen limitierend, Jedoch nicht deter-
minierend auf die jeweiligen Umgangsweisen auswirkt. Ausgehend von ei-
ner akteurszentrierten Perspektive kann somit sowohl der Bedeutungs- als
auch der Handlungsdimension technischer Artefakte Rechnung getragen
werden. Im weiteren Gang der Arbeit soll diese Differenzierung weiter
ausgearbeitet und auf ihre Nützlichkeit bei der Thematisierung des ,Um-
gangs mit Technik" überprüft werden.
Erforderliche Revisionen
Diese kurze, thesenhafte Skizze der volkskundlichen Sachkulturforschung
verweist auf die Notwendigkeit, sowohl einige der zentralen, durch die
Fachtradition geprágten theoretischen Vorannahmen und analytischen In-
strumentarien zu revidieren, als auch darauf, daft neue Konzepte erarbeitet
werden müssen, wenn der Umgang mit Technik thematisiert werden soll.
Dieses Revisionsinteresse kann sich hierbei auf einige neuere Anstófle in
der volkskundlichen Sachforschung stützen, insbesondere auf Versuche,
128 Vgl. Krüger, Perspektivenwechsel, S. 84.
129 Ebd., S. 90f.