Gilt ihre, der Mytho-Touristen, Erfahrungssuche den Weishei-
ten fremder Kulturen oder nur noch der selektiven Aneignung
des Fremden zur Selbsterfahrung? Der Religions- und Altertums-
forscher Karl Kerényi hatte die Ausgrabung fremder Kulturen als
Gleichnis benutzt und ihrer ungemeinen Anziehungskraft Geduld,
Verstándnis und Sichbegnügen entgegengehalten: Oft ist die Aus-
grabung ein Einbruch ... Man betritt aber keine systematische Aus-
stellung. Die Welt, die den Eindringenden aufnimmt, gibt. sich ihm
nursowc:tpreisalsdas Eindringen selbstein Sich-Óffnen ist. .
Ich selbst habe in meinen Reflexionen über die nahe Fremde
und die fremde Náhe — ausgehend von meinem Traum einer sich
nur im Spiegelbild zeigenden fremden Kultur — auf das Fragmen-
tarische verwiesen, das in jeder verstehenden Interpretation der
fremden Bedeutungen verbleibt. Verstehen dagegen heifit, zwi-
schen den Text-Fragmenten der verschiedenen Klturen und den ei-
genen hin und her sich bewegend, diese zu reflektieren, um ihre Be-
deutung zu entschlüsseln, Fragmente zu einem Bild zu fügen, das
über den anderen und über mich — dann auch als den anderen — et-
was aussagt. Daf) dieses Bild nie die Totalitüt der Erfahrungen einer
Kulturgruppe, eines Menschen erfafit, sondern aus den fragmenta-
risch verkandenen Darstellungen, den Texten, herausgelesen und
interprctiert werden muf, ist für den Psychoanalytiker nicht neu.
P — msscn uns auch als Anthropclogen damit abfinden, daß das
Authentische nur ein Teilauthentisches ist, sich als Ganzes, als eine
einmalig? Identität verbirgt. Ist das nicht ein Recht, das wir als Per-
sonen für uns in Anspruch nehme? Serum dann nicht auch für
Kulturen? Und so kann ich mich schlieflich auc’ mit dem Traum der
nur gcopiegelten Welt verséhnen. Sie ist nicht Schein, sondern Teil
der Authentizität, den andere Menschen, andere Kulturen uns zu ge-
ben bereit sind und geben kónnen.
Das Sich-Offnen gegenüber der fremden Kultur und die Be-
scheidung mit den Fragmenten, die man zu einem verstehenden
Bild zu fügen versucht, ist etwas anderes als die postmoderne
Textualisierung von Fragmenten, die für Schreiber und Leser
einen therapeutischen Effekt des transformierenden temporären
Bruchs mit der Alltagswelt hervorrufen soil. Das wäre die auf
Selbsterfahrung reduzierte Antwort der New Age-Bewegung, die
als Postmoderne, wie sie Hans-Jürgen Heinrichs kritisiert, be-
wufit Verwischungen von Realem und Fiktivem produziert und
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