ZWISCHEN OKKULTEM JARGON
UND GEKONNTER COLLAGE
10.1 Der okkulte Jargon
Wenn man sich lange genug auf den Ebenen spiritueller
Textualisierungen bewegt hat, um zu verstehen, was nicht ver-
standen werden soll, greift man dankbar nach einem Buch, das
eine kritische Analyse ankündigt. Der Titel macht zwar stutzig —
»Diktatur der Freundlichkeit. Über Bhagwan, die kommende
Psychokratie und Lieferanteneingänge zum wohltätigen Wahn-
sinn« -, aber wiederabgedruckte und übersetzte Beiträge von
Adorno / Herkheimer, Enrico Pozzi und André Béjin lassen eine
über die staatlich-kirchliche Sektenkritik hinausgehende Analyse
psychosozialer Grundstórungen erwarten. Und so wird hier
auch, leider unter Vernachlássigung empirischer Daten, dafür mit
einem Übermaf an Hegel-, Marx-, Benjamin- und Adorno-Zita-
ten, der Blick auf den pornographischen Blick ins fungible Subjekt
(Psychoware) geworfen. Geht aber dem geneigten Leser der kriti-
sche Blick nicht eher in zwei Richtungen (die gar nicht so weit
auseinanderliegen), wenn die Signifikanten für das Signifikat
mafilose Dummheit Marke neues Kleinbüraertum aus einem ador-
nolastigen 68 er-Jargon bestehen und die Signifikanten für das Si-
gnifikat die kritische ganz neue Linke aus einer Inszenierung stu-
dentisch-umgangssprachlichen Tiefsinns?
Ist diese Gegenüberstellung bereits jenes ironische Spiel mit
Gleichheit und Verschiedenheit, Vertrautem und Fremdem, Hier
und Sonstwo, das James Clifford als Charakteristikum der (Post-)
Moderne sieht und für einen fortlaufenden ethnographischen
Diskurs als Co:lage fruchtbar gemacht wissen möchte? Oder ist
es das Cegenteil: ein neuer ‘Jargon der Eigentlichkeit’ (Während
er überflicf/t von der Prätention menschlichen Angerührtseins, ist er
unterdessen so standardisiert wie die Welt, die er offiziell verneint,
Adorno), der die Gegenüberstellung weder zur Fremd- noch zur
Selbsterkenntnis nutzt, sondern zur Verfestigung von Gesin-
M0