$. IMITATIO DER ABSOLUTEN WIRKLIC:**
8.1 Zwischen Wissenschaft und Offenbarung
Ken Wilber würde das mónchische Modell vielleicht zu jenen
Atman-Projekten rechnen, deren Synergie zwar Ersatzbefriedi-
gung, das heibt Kultur, ist, hilfreich synchronisierte Illusion, aber
zumindest nicht tödlich für diejenige große Mehrheit, die den
Tod nicht ungültig machen kann, denn das hieße, Atman selbst
wiederzuentdecken, das All selbst zu sein. Vielleicht wiirde Wilber
auch eine induktive Theologie fiir diese Mehrheit befiirworten
und sogar jene von ihm so verurteilten empirischen Anthropolo-
gen dafür zulassen, vergleichend transkulturell konstante Grund-
erwartungen zu erschließen.
Die Ewige Philosophie Wilbers allerdings ist, auch wenn er
seine Evolutionstheorie als eine biologische bezeichnet und über
selektierte archäologische und anthropologische Belege verwis-
senschaftlicht, ein Glaubensbekenntnis. In diesem Glaubensbe-
kenntnis wird Kultur als Atman-Projekt erledigt, das heißt als Er-
satzbefriedigung. Als Kulturanthropologen sehen wir aber Kul-
tur als das Kriterium des Menschseins überhaupt und fragen
nach cer Sinnproduktion in den je existenten Kulturen. Glaube
muB für uns Produktion eines hóchsten Sinns bleiben. Und
wenn in unserer ^ 2genwart als ein spizituell-ókologischer Protest
zum Moloch Moderne ein Gegenbild der Verschmelzung der
(transzendierten) Person mit dem Kosmos, dem Geist, der Gott-
heit entworfen wird, dann sehen wir auch dieses als einen kultu-
rellen Entwurf. Und in diesem kulturellen Entwurf bleibt auch
Atman ein Atman-Projekt, nämlich die Endlichkeit des erfahrba-
ren menschlichen Lebens zu überwinden, in eine zeitlose, gren-
zenlose, ganzheitliche, ungetrennte harmonische Verschränkung
zu gelangen, zurückzugelangen, sie wiederzufinden.
Am Anfang war das Wort. Beginn der Genesis und des dedukti-
ven Glaubens. Die New Age-Seher haben aus den Religionen
und Philosophien der Welt uns die verschiedenen Worter fiir
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