der Staat die Rolle von ‘Ursubstanz’ an, suggeriert ‘harmonische
Verschránkung'. Wenn der Mensch konstitutionell nur auf pas-
sive GCeborgenheit und Versorgtwerden, und das heiBt Unreife,
angelegt wire, wire dieses das menschheitsbegliickende Modell.
Ich habe dieses Modell aber als eine strukturelle gesellschaftliche
Grundstórung bezeichnet und auf eine Sinnkrise zurückgeführt.
Diese Sinnkrise, die wir zunáchst am Beispiel der gesellschaftli-
chen Trennungen, dem Zerfall des alle Lebensbereiche umfassen-
den Haushalts des Lebens und dem Auseinanderbrechen von ob-
iektivem und subjektivem Sinn dargestellt hatten, kónnen wir
jetzt um das Phánomen der Verhinderung von Reife erweitern.
Reife wird als die Ausbildung kultureller Kompetenz und Verant-
wortung bei der Gestaltung von Gesellschaft gesehen. Unreife ist
die Passivität der vorkulturellen Erwartungshaltung an eine har-
monische Verschränkung oder im Sinne Balints der fôtale Zu-
stand. Für den erwachsenen Menschen bezeichne ich dieses als
kulturellen Tod.
Wenn weiterhin der Mensch ein homo duplex (Zijderveld), ein
Doppelwesen, ist, der einerseits als passiv Empfangender auf
Ich/ Umwelt-Harmonie angewiesen ist und andererseits als aktiv
Gestaltender Ich / Umwelt-Harmonie herstellen muf, dann wird
die strukturelle Grundstórung der Moderne besonders deutlich:
beide Seiten werden nicht befriedigt.
Daß die strukturelle gesellschaftliche Grundstórung nun nicht
von einer umfassenden offenen psychosozialen Grundstórung
begleitet wird, kónnen wir uns aus der gesellschaftlichen Kon-
struktion des Rückzugsraumes Heimwelt erkláren, in dem die
psychosoziale Grundstórung über ein Ersatzobjekt bzw. eine Er-
satzumwelt aufgefangen wird. Damit wird mit dem Begriff Ba-
lints eine oknophile bzw. objektanklammernde Grundpersónlich-
keit sozialisiert. Diesen vorherrschenden Typus nun nur als
Rückzugstypus zu bezeichnen halte ich für zu kurz gegriffen,
denn dieses beinhaltete die bewufte Ablehnung kultureller Mit-
tel und Ziele. Er ist vielmehr der Anpassungstypus oder Konfor-
mist, der sich in seinem subjektiv gemeinten Sinn mit dem objek-
tiven Sinn einig weiß, wobei er nicht realisiert, da dieser von
ihm internalisierte objektive Sinn gewissermaßen ein Ablen-
kungsmanöver aus der gesellschaftlichen Grundstörung darstellt
und somit auch keine psychosoziale Grundstörung verarbeitet.
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