aktiv zur rationalen Erkenntnis fortzuentwickeln und über die
Kritik des Bestehenden, Erstarrten, andere Praxis aufscheinen zu
lassen. Wenn aber Praxis und Erkenntnis in einem unendlichen
Prozeß stehen, ist jede gefundene Wahrheit nur eine vorläufige —
und es ist schon viel, wenn der Inhalt der Erkenntnis auf eine hö-
here Stufe gehoben wird.
Der ethnologischen Anthropologie könnte aufgrund ihrer ver-
gleichenden und verstehenden Perspektive, ihres Reflexionspro-
zesses zwischen Eigenem und Fremdem und aufgrund der empi-
rischen, von sinnlicher Erfahrung ausgehenden Suche nach der
Erkenntnis menschlicher Praxis ein wichtiger Platz in einer per-
manenten Revolutionierung alltäglicher Praxis zukommen. In
einem die Enge der Fachgrenzen überschreitenden Verbund mit
anderen Humanwissenschaften könnte sie über die De-Collage
des Geltenden, den Aufweis des anders Möglichen und die Anre-
gung zu einer neuen Praxis, einer gekonnten Collage als Werk-
schaffen aus Altem und Neuem, aus Fremdem und Eigenem,
Wege aus der gesellschaftlichen Erstarrung weisen.
Michel Foucault bezieht dieses bewegende Prinzip vor allem
auf Fsychoanalyse und Ethnologie, die im Verlauf unserer Wis-
senschalisgeschichte sich immer wieder angeregt und ergänzt
haben: Die Psychoanalyse und die Ethnologie haben in unserem
Wissen einen privilegierten Platz inne; zweifellos nicht, weil sie bes-
ser a.5 jede andere Humanwissenschaft ihre Positivität gesichert
und se‘. lich das alte Vorhaben vollendet hätten, wirklich wissen-
schafti.ch z.. sein; sondern eher, weil sie an den Grenzen aller Er-
kennti..:e über dea Menschen mit Sicherheit einen unerschópfli-
chen Schatz von Lrfahrungen und Begriffen, aber vor allem ein
stándiges Prinzip dcr Unruhe, des Infragestellens, der Kritik, des
Bestreitens dessen bilden, was sonst hat als erworben gelten kónnen.
Daraus leitet James Clifford das ‘Recht’ zur Provokation ab: Dem
Ethnographen ist wie dem Surrealisten erlaubt zu schockieren. Al-
lerdings setzt dieses Recht auch die Bereitschaft voraus, jenes
kulturelle Wagnis einzugehen, iiberrascht zu sein, deutende Hypo-
thesen unfertig zu lassen und das noch uneingeordnete Fremde
zuzulassen. Der wissenschaftliche Text, als Ausdruck der Erfah-
rungssuche, bleibt ein Experiment, ein vorläufig Festgehaltenes
in einem weitergehenden Diskurs. Nach dem Modell der Collage
sollen die Schnitte und Náhte des Forschungsprozesses - und ich
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