4. WEGBEREITER DES NEUEN ZEITALTE.
4.1 Die Sehnsucht nach dem ewigen Augenblick.
Romantik und die amerikanischen Transzendentalisten
In den Gegenbildern zur Moderne drückt sich zunächst unser
subjektiv gemeinter Sinn aus, der mit dem objektiven Sinn unse-
rer gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht mehr korrespondiert.
Unsere Eine Gegenwart (mit der Gegenwart des Gegenwärtigen,
des Vergangenen und des Zukünftigen) ist brüchig geworden, wir
leben in der Gegenwart der Zukunft, also in Sehnsucht, die sich
an Heimweh festmacht. Das klingt zunächst paradox, dürfte aber
für Tendenzen in unserer gegenwürtigen Gesellschaft bezeich-
nend sein.
Heimweh und Sehnsucht haben das Suchen gemeinsam, das
Suchen nach etwas Verlorenem oder noch nicht Gefundenem;
beiden Gefühlslagen ist das Unbehagen an der Gegenwart ge-
meinsam. Doch wáhrend das Heimweh in die Vergangenheit ein-
taucht, kann der Sehnsucht ein Zukünftiges innewohnen.
Wenn Sehnsucht allerdings nur noch Heimweh nach kosmi-
scher Beheimatung meint, sich an Verlorenem festhält, Ge-
schichte auslóschen und eigene Gesellschaft vergessen will —
und das halte ich für eine wesentliche Intention der New Age-
Sucher -, dann werden Mythen zu Pseudomythen, da sie nicht
mehr die Überhóhung und Steigerung ihrer ehemals realen kul-
turellen Ordnung darstellen, sondern unserer Ordnung als ein
Fremdes entgegengesetzt werden, ohne die entfremdete Realord-
nung unseres soziokulturellen Alltags aufzureiBen.
Die Protestbewegungen seit den 60er Jahren werden in Selbst-
bild und Fremdbild immer wieder auf eine romantische Sehn-
sucht oder die Sehnsucht der Romantiker bezogen. In keiner
Epoche haben diese beiden Gefühlslagen - Heimweh und Sehn-
sucht -, ja ihr Ineinander-Verschmelzen, bisher eine solche Be-
deutung gehabt wie in der Romantik. Auch die Romantik, insbe-
sondere die frühe, war eine Protestbewegung gegen eine vorherr-
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