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6) A. a. O. S. 83.
(zu Punkt 4: Naturmythos) nicht vergessen, daß die sonst vor
kommenden Mythen, z. B. auch was von der Art des gegenwärti
gen Wirkens irgendeiner Gottheit berichtet wird, stets mit dem
Zusatz erzählt werden: Das haben die Alten (d. h. die in der Urzeit
lebenden Menschen) berichtet, obwohl man heute noch die Tätig
keit der Gottheit bemerken kann. So heißt es von Namsäui, der
Gottheit des Schnees und der Kälte; „Wenn man den Gesang
(um auf ihn einzuwirken) nicht hat, dann pflegt er einem leib
haftig in Menschengestalt zu erscheinen und einen anzureden
. . . Dann kann man im Gebirge auf den Wegen nicht gehen, da
alles voll Schnee liegt und der Schnee die Hütten versperrt.
Dann frißt (Namsäui) einen, das hat man in alter Zeit erzählt“ 6 ).
Es ist andererseits klar, daß ihn grade auf Grund der Überliefe
rungen nun auch andere sehen und Erlebnisse mit ihm zu haben
glauben. Vergleicht man nun das Mythische mit dem anscheinend
mehr in der Gegenwart Erlebten, so wird der Forscher mit glei
chem Erfolg aus beidem seine Kenntnis des Glaubens der Kägaba
schöpfen dürfen, aber nur, soweit das Neue für den eingeborenen
Erzähler eine Bestätigung des Alten ist, denn nur die alte Zeit
ist für ihn bindend und erzwingt Glauben.
In der Tat kann aus einem der Gegenwart nahestehenden Er
lebnis sehr leicht die Urzeit werden, denn die Naturvölker können
sich von der Länge der Zeit gar keine Vorstellung machen, so daß
auch geschichtliche Ereignisse sehr leicht mit der Urzeit zu
sammenfließen. So erzählen z. B. die Kägaba, daß einer ihrer
Urväter bereits eiserne Werkzeuge angefertigt habe, daß er aber
angeordnet habe, „die jüngeren Brüder Franzosen und Eng
länder“ sollten die Eisengeräte in ihrem Lande anfertigen und sie
ihnen bringen, weil die Kägaba unter dieser Arbeit litten und
sonst die Gesänge zugrunde gehen könnten. Selbst die Einsetzung
der Beamten, die in verschiedenen Städten Kolumbiens mit der
Fürsorge für die Indianer betraut wurden, geschah nach einem